Der 26. Stock
ihm um. Er hatte seine Chancen perfekt abgewogen und entsprechend gehandelt.
»Kann schon sein. Aber ich habe Isabel gefunden.«
36
Zwanzig Minuten später stiegen sie aus dem Kleinbus aus. Márquez benötigte nur einen Anruf, um in Erfahrung zu bringen, dass auf keinem Polizeirevier
eine Meldung aus dem Turm eingegangen war. Wenn die Zuständigen von einer Anzeige absahen, mussten sie wohl ihre Gründe haben.
Sie streiften ihre Overalls ab und steckten sie zusammen mit den Videobändern in eine Tüte. Dann suchten sie sich eine Kneipe.
Ein Straßenkehrer und ein Grüppchen U-Bahn -Fahrer redeten sich über das Fußballspiel des Abends die Köpfe heiß. Márquez ging an den Tresen und kam mit einem Kaffee
und einem Bier zurück an den Tisch. Zac gab ihm den Zettel, den er in dem zweiten Büro gefunden hatte.
Teo, Teo, Teo. Ich finde dich
Márquez studierte das Blatt einige Sekunden lang. Er versuchte sich zu erinnern, ob er Isabels Handschrift schon irgendwo
gesehen hatte.
»Und du glaubst, das war ihr Büro?«, fragte er und schlürfte Kaffee. Die heiße Flüssigkeit rann ihm die Kehle hinunter, und
er spürte, wie er sich allmählich entspannte.
»Ja. Und ich bin sicher, dass sie in einem der oberen Stockwerke festgehalten wird.«
»Woher willst du das wissen?«
Zac beobachtete, wie sich die Schaumkrone auf seinem Bier zersetzte. Er zog die Schultern hoch.
»Keine Ahnung. Nur so ein Gefühl. Aber das täuscht mich selten.«
Márquez nickte, obwohl er Zac kein Wort glaubte. Wenn ein Mann, der einem sonst ins Gesicht sah, den Blick auf sein Bierglas
gerichtet ließ, brauchte man nicht besonders clever zu sein, um zu kapieren, dass er log. Zac wusste, dass Isabel dort war.
Er hatte etwas gesehen, auch wenn er es ihm nicht erzählen wollte. Aber Márquez empfand nicht einen Hauch von Misstrauen.
Zac würde schon wissen, warum er damit hinter dem Berg hielt. Zac hatte ihm die Haut gerettet, und außerdem war Márquez mit
seiner Hilfe an die Videobänder herangekommen, die sicher sehr aufschlussreich waren.
»Na schön, das hier ist meine Ausbeute«, sagte er und legte die Bänder auf den Tisch. »Das ist vom 26. Stockwerk und das da von den Aufzügen. Wenn Isabel oder Teo an einem der beiden Orte gewesen sind, tauchen sie möglicherweise
hier auf. Es gibt keine Aufzeichnungen von den obersten Stockwerken, und ich begreife nicht, wieso.«
»Die wollen da oben eben keine«, sagte Zac. »Wenn sie Isabel und Teo haben, ist das Wahrscheinlichste, dass derjenige, der
dafür verantwortlich ist, die Kameras abgestellt hat.«
Márquez schüttelte den Kopf, während er die Bänder wieder einpackte.
»Nein. Es gibt nämlich Monitore, auf denen zu sehen ist, was auf den obersten Etagen läuft. Die Kameras waren in Betrieb,
und soweit ich sehen konnte, war nichts Außergewöhnliches im Gange. Ein paar Reinigungskräfte bei der Arbeit, und …«
»Was und?«
Márquez schwieg und kratzte sich am Kinn. Er hatte einen der Wachmänner etwas sagen hören.
»Das war merkwürdig … Kurz bevor die Sicherheitstypen dich gesehen und Alarm geschlagen haben, sagte der eine, da oben sollen keine Putzkolonnen
sein.«
Zac nahm einen tiefen Zug von seinem Bier und legte einen Geldschein auf den Tisch.
»Beim nächsten Mal finde ich das raus.«
»Du willst da noch mal rein? Zac, vergiss das lieber.«
Zac beugte sich zu ihm.
»Ich habe nichts zu verlieren, mein Freund. Die haben mich sowieso schon auf ihren Videos, und dich wahrscheinlich auch. Wer
auch immer da die Fäden zieht, wir stehen jetzt auf seiner schwarzen Liste und das ist schlecht, aber wenn wir nicht noch
mal hingehen, trifft es Isabel noch viel schlimmer. Also, ich gehe da sicher wieder hin.«
»Aber … doch nicht jetzt gleich?«
Zac lachte.
»Quatsch. Das wäre ziemlich bescheuert. Jetzt gehe ich heim und lege mich zu meiner Frau ins Bett. Morgen ist Samstag, da
mach ich weiter, und ich habe nicht vor, ohne Isabel und Teo wieder rauszukommen.«
Márquez trank seinen Kaffee aus, der kalt geworden war. Er würde die Nacht allein verbringen. Er hatte nicht mal Lust, eine
seiner Bekannten anzurufen. Lieber würde er sich wie üblich ein kaltes Abendessen machen und sich die Bänder ansehen wie andere
Leute einen Spielfilm.
»Es gäbe ja auch noch eine andere Strategie?«, meinte er unvermittelt. Zac sah ihn fragend an. »Wir wissen, dass in den oberen
Stockwerken des Hochhauses irgendwas läuft, oder?
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