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Der 26. Stock

Titel: Der 26. Stock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enrique Cortés
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Lungen leer und erschöpft
     waren, machte sie die Augen auf. Stille. Das Atmen fiel ihr schwer, ihre Nase war vom vielen Weinen verstopft. Aber jetzt
     war es vorbei. Irgendwie waren Vera und sie davongekommen. Sie stützte sich gegen die Wand, um sich aufzurichten. Noch bevor
     sie auf die Beine kam, wurde das Aktenregal hochgehoben und zersprang in tausend Stücke.
    Isabel rührte sich nicht mehr von der Stelle. Um sie herum war es fast dunkel. Sie lagen im Schatten, im Schatten eines riesigen
     Wesens. Vorsichtig spähte Isabel in seine Richtung. Es war gleichzeitig alles und nichts. Ihr stockte das Blut in den Adern,
     und sie fragte sich, was für ein seltsamer Gott zulassen konnte, dass so etwas über die Erde wandelte. Es war massiv, fast
     drei Meter hoch, langgezogen wie eine Nacktschnecke, und es bestand aus der lebenden Materie Dutzender menschlicher Körper,
     die meisten davon mit blauen Flecken und Schwellungen übersät. Sie trieben auf der Oberfläche des Wesens dahin. Tausend Schreie
     ertönten zugleich, und Isabel fiel hin und hielt sich erneut mit beiden Händen die Ohren zu. Arme, Leiber, Beine bewegten
     sich, schlängelten sich dahin, formten den Körper des Monsters. Die Bemitleidenswerten heulten, die Gesichter zu unbeschreiblichen
     Grimassen verzerrt. Aus den Mündern sabberte es, und der Speichel glitt an den Seiten des Ungetüms hinab und formte die silbrige
     Schleimspur. Einige brüllten panisch um Hilfe, doch unverzüglich wurden sie ins Innere der kompakten Masse gesogen und gingen
     darin unter, so dass ihre Schreie immer dumpfer klangenund am Ende nur noch ein unverständliches, kehliges Dröhnen waren.
    »Isabel!«, rief eine Frauenstimme tief aus dem Schlund des Wesens.
    Sie tauchte nur für einen Augenblick auf und wurde dann wieder verschluckt, doch Isabel hatte sie erkannt. Die Frau arbeitete
     in der Marketingabteilung. Isabel war ihr nur ein paarmal begegnet.
    »Isabel! Isabel!« Ein Manager aus dem 13. oder 14.   Stockwerk. Wie oft hatte sie ihn den Sekretärinnen nachsteigen sehen   … Sogar an sie selbst hatte er sich vor vielen Monaten einmal rangemacht.
    All diese Menschen riefen ihren Namen, baten sie um Hilfe. Dann schlossen auch Unbekannte sich ihnen an und riefen ebenfalls
     nach ihr.
    »Das ist nur eine Halluzination«, sagte sich Isabel, während sie an Veras Schulter rüttelte. »Nur ein Traum und sonst nichts!«
    Sie musste ihre Freundin aufwecken, um von ihr bestätigt zu bekommen, dass da nichts war. Die Menschen hier konnten doch nicht
     vor ihren Augen elend zugrunde gehen, bestimmt waren sie zu Hause bei ihren Familien, zufrieden und munter. Isabel weigerte
     sich, das Untier ein weiteres Mal anzusehen. Außerdem drehte sich ihr von dem Gestank der Magen um. Sie weinte.
    »Vera!«, rief sie, und da hörten all die Stimmen zu schreien auf. Isabels Nacken war starr. »Wach auf!«
    Ihre Freundin antwortete nicht. Stattdessen erklang eine andere Stimme. Sie hatte sie schon einige Sekunden vorher erkannt,
     aber nicht glauben können, dass er das war. Sie wollte es nicht glauben.
    »Isabel   …« Er schien ruhig und entspannt auf dem Rücken des Wesens zu sitzen, weit entfernt davon, hektisch ihre Hilfe zu fordern,
     anscheinend wollte er ihr einfach nur anvertrauen, warum das Tier mit den tausend Körpern sie holen kam. »Bitte sieh mich
     an.«
    Isabel wandte langsam den Kopf. Da, auf der Vorderseite desUngetüms, ein Gesicht. Das Monster rückte noch weiter vor. Isabel machte keinen Mucks. Das Gesicht war nun weniger als einen
     Meter von ihr entfernt. Da sah sie, dass es in lauter kleine Stückchen unterteilt und dann wieder zusammengesetzt worden war;
     nun erinnerte es an einen Menschen aus schlecht zusammengefügten Fleischziegeln. Als Miguel Davids Gesicht zu sprechen anhob,
     fiel ein Stück Lippe auf den Boden und zuckte ein paar Sekunden lang vor sich hin wie ein Fisch auf dem Trockenen.
    »Isabel«, wiederholte Miguel, indem er mühsam sein Schandmaul bewegte, das so viele böse Gerüchte verbreitet hatte. Aus den
     Ritzen in seinem Kopf lief eine zähe graue Masse. »Hilf mir doch.«
    Sein Gehirn lief aus. Isabel ließ sich zur Seite kippen; zweimal würgte es sie, dann musste sie sich übergeben. Am liebsten
     hätte sie sich auf den Boden fallen lassen, um nur noch auszuruhen. Aber erst musste sie herausfinden, was aus ihrem Bruder
     geworden war. Wenn Miguel ihr das sagte, konnte sie ruhig sterben.
    »Bitte   …« Das Gesicht kam immer

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