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Der 26. Stock

Titel: Der 26. Stock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enrique Cortés
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und blickten dann kurz zu Hugo und Isabels Tisch hinüber, bevor
     sie sich wieder ihren Tellern zuwandten.
    »Warum ist die denn so ausgetickt?«, fragte Hugo völlig perplex.
    »Keine Ahnung. Ich wusste gar nicht, dass   …«
    »Nun«, sagte Hugo mit mehr Ruhe in der Stimme. »Sie hatte im fünften Monat eine Fehlgeburt. Angeblich war es wegen all der
     Reisen und dem Stress. Wie das halt so ist bei einer aktiven Frau wie Cass. Ihr Mann hat sie sofort ins Krankenhaus gefahren,
     aber da war nichts mehr zu machen. Das Schlimmste war, dass die Fehlgeburt Komplikationen mit sich gebracht hat und sie keine
     Kinder mehr bekommen kann. Sie hat sich endlos Vorwürfe gemacht, und am Ende ging darüber ihre Ehe in die Brüche.«
    »O Gott! Und sie denkt jetzt an seinen Geburtstag.«
    »An den Tag, an dem ihr Sohn laut den Ärzten hätte zur Welt kommen sollen, ja. Letztes Jahr hat sie es kurz erwähnt, aber
     da schien sie es sich nicht so zu Herzen zu nehmen. Wahrscheinlich hängt es von dem Moment ab, in dem dich die Erinnerungen
     überkommen.«
    »Sie wird eben wegen dem, was passiert ist, etwas durcheinander sein, genau wie wir, und dann kommt eines zum anderen.«
    Hugo schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht«, sagte er nachdenklich, während er sich zu Cassandras Stuhl hinüberbeugte. »Da,
     sie hat ihre Handtasche liegen lassen. Es wäre gut, wenn du sie ihr nachher bringst. Also, wenn es dir nichts ausmacht. Und
     sag ihr noch mal, dass es mir leidtut.«
    Isabel nahm die Handtasche und legte sie neben sich. Sie hatte das Bedürfnis, das Thema zu wechseln. Anscheinend war es doch
     nicht so eine gute Idee gewesen, ihre Befürchtungen mit Cassandra zu teilen. Vielleicht hatte sie ja auch recht, und es waren
     alles nur Hirngespinste.
    »Wie geht’s denn deiner Familie?«, fragte sie.
    »Danke, ausgezeichnet«, antwortete Hugo. »Die Jungs sind die gleichen Kindsköpfe wie immer und sollten sich ein Beispiel anihrer Schwester nehmen. Sie ist nämlich Klassenbeste. Da schlägt sie nicht gerade nach dem Vater. Wenn diese seltsame Geschichte
     vorbei ist, musst du mal mit deinem Bruder zu uns kommen.«
    Das klang gut. Wenn diese seltsame Geschichte vorbei ist   … Also in einigen Tagen, maximal.
    Auf dem Weg zurück ins Büro besprachen sie die nächsten Schritte. Isabel würde versuchen, etwas mehr über Carlos herauszufinden,
     und Hugo würde sich weiter darum bemühen, Vera und Alberto zu erreichen.
    »Wenn wir zu keinen Ergebnissen kommen, gehen wir zu Rai«, sagte Hugo, während er auf den Aufzug wartete, um vor dem Firmengebäude
     noch schnell ein Pfeifchen zu rauchen. »Wir konfrontieren ihn damit – wir zwei und Cass, falls sie sich entschließt, uns doch
     zu helfen. Rede du mit ihr, ja?«
    Isabel versprach es ihm, verabschiedete sich und nahm einen Aufzug auf ihr Stockwerk.
    Als sie den Klingelton hörte, der die zwölfte Etage anzeigte, fiel ihr ein, dass sie etwas Wichtiges vergessen hatte. Das
     Bild! Sie hatte Hugo davon erzählen wollen, aber dann hatte sie nicht mehr daran gedacht. Sie würde nachher noch mal bei ihm
     vorbeischauen. Aber vorher musste sie Cassandra ihre Tasche bringen.
    »Herein.«
    Isabel trat ein. Cassandra und eine unbekannte junge Frau sahen ihr entgegen.
    »Gut, Señorita Garcia, Sie hören dann von uns«, sagte Cassandra, stand auf und schüttelte der Bewerberin zum Abschied die
     Hand.
    Isabel sah ihr verdutzt hinterher, riss sich dann aber zusammen. »Ja, also   … ich glaube, wir waren in der Kantine nicht gerade taktvoll«, sagte sie und hielt Cassandra dabei die Handtasche hin. »Da,
     die hast du vorhin liegen lassen, und entschuldige bitte, ehrlich, ich wusste nichts von   …«
    »Schon in Ordnung«, unterbrach Cassandra sie. Ihrem Gesichtsausdruck nach hatte sie die Fassung zurückgewonnen. »Daswar ganz meine Schuld. Ich weiß, dass ihr mir nicht zu nahetreten wolltet, weder du noch Hugo. Mir geht’s zurzeit einfach
     miserabel, und da lasse ich Menschen dafür büßen, die gar nichts damit zu tun haben. Eigentlich bin ich es, die sich entschuldigen
     muss.«
    Isabel lächelte. »Dann ist ja alles gut. Sag mal, ich wusste gar nicht, dass du auch Bewerbungsgespräche führst.«
    Cassandra zuckte die Achseln. »Rai hat mich gestern dafür eingeteilt. Ich weiß nicht, vielleicht ist es wegen der Kleinen
     aus deinem Team, die befördert wurde, wie heißt sie noch gleich?«
    »Luna.«
    Cassandra nickte. »Ja, genau. Ich weiß auch nicht. Wahrscheinlich geht das

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