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Der 26. Stock

Titel: Der 26. Stock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enrique Cortés
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ganz oben gefahren,
     die Türen des Aufzugs hatten sich nicht geöffnet und es hatte ihm auch kein riesiges, unbekanntes Wesen seinen kalten, fauligen
     Atem entgegengehaucht. Keiner glaubte ihm, aber sie würden ihre Meinung schon noch ändern. Teo starrte an die Decke, die Wunden
     am Kopf taten weh. Jetzt würde er die ganzeNacht nicht schlafen können, aber das machte nichts, er würde nämlich beweisen, dass er die Wahrheit gesagt hatte. Es gab
     da eine Möglichkeit, er hatte sich vergewissert, er war nämlich nicht so dumm, wie die anderen dachten, und er hatte etwas
     mitgenommen, ohne dass es jemand gemerkt hatte. Etwas, das ihnen die Wahrheit zeigen würde. Es lag unter dem weißen Bezug
     seines Kopfkissens. Er drehte sich um und klammerte sich an den Gegenstand, den er dort versteckt hatte. Er musste nur Geduld
     haben. Nach einer halben Stunde ließ der pochende Schmerz an der Platzwunde nach, und Teo schlief ein. Zwischen den Fingern
     hielt er eine Magnetkarte, die nur darauf wartete, von neuem verwendet zu werden.

19
    Als Isabel die Augen aufschlug, fehlte noch eine Stunde bis zum Klingeln des Weckers. Obwohl sie nicht lange geschlafen hatte, fühlte sie
     sich frisch und ausgeruht. Sie stand auf und lauschte an Teos Zimmertür. Es war kein Laut zu hören, und sie wollte ihn ungern
     aufwecken. Nein, lieber nicht. Wahrscheinlich würde er sich bis zum Abend beruhigt haben und ihr dann erzählen, was passiert
     war. Unter der Dusche beschloss sie auszunutzen, dass sie so zeitig aufgestanden war. Sie hatte eine Unmenge zu erledigen,
     und je früher sie das tat, desto besser. Sie verließ die Wohnung und fuhr hinunter in die Tiefgarage, die um diese Zeit menschenleer
     war. Sie ließ den Motor ihres alten Ford an und legte eine Lou-Reed-Cassette ein. Sie fühlte sich gestärkt, war erstaunlich
     guter Dinge. Zu den Klängen von »Walking on the Wild Side« fuhr sie aus dem Parkhaus und schlug zunächst die übliche Richtung
     zur Arbeit ein. Nach einiger Zeit aber wendete sie den Wagen in die Gegenrichtung. Sie hatte einen Verdacht und wollte herausfinden,
     ob er sich bestätigen würde. Vielleicht war sie ja genau deshalb so früh aufgewacht.
    Im Zentrum angekommen, suchte sie sich ein Parkhaus. Erst als sie auf die Straße hinaustrat, wurde ihr klar, dass sie genau
     dort auch am Freitagabend geparkt hatte. Tags darauf hatte Carlos sie hierher gefahren   … Auf den Straßen im Zentrum war mehr los als sonst in der Stadt. Die Läden waren noch geschlossen, aber einige Schnellrestaurants
     lockten die Passanten bereits mit einem günstigen Frühstück. Sie betrat das nächstbeste geöffnete Lokal, ging an den Tresen
     und fragte den Kellner nach einer Adresse. Dann verließ sie das Lokal wieder und folgte der Wegbeschreibung.Die erste Straße rechts hinunter, dann die zweite nach links, oder war es die dritte? Als sie ihr Ziel erreichte, sah sie
     ein Postgebäude mit drei Lkws davor. Das Gespräch mit Zac hatte sie auf diese Idee gebracht.
    Die kühle Morgenluft fuhr ihr durchs Haar und ließ sie frösteln. Sie war ungeduldig. Dieses Mal würde sie hoffentlich wirklich
     einen Schritt weiterkommen.
    In ihrer Manteltasche vibrierte das Handy, und sie kramte es rasch heraus. Auf dem Display war kein Anrufer angezeigt. Sie
     drückte auf die grüne Taste.
    »Ja?«
    Vom anderen Ende der Leitung kam kein Ton. Keine Stimmen, kein Verkehrslärm, nicht einmal Atemgeräusche.
    »Ja, wer ist da?«
    Keine Antwort. Isabel wollte schon wieder auflegen. Doch da dröhnte es auf einmal aus dem Hörer: »Isabel? Isabel?«
    »Ja? Bist du das, Cass?«, fragte Isabel hastig. Sie hatte die Stimme erkannt, es musste Cassandra sein. »Hallo, Cass? Wo steckst
     du?«
    »Isabel? Wenn du mich hören kannst – du musst abhauen. Hör auf mich.« Plötzlich hörte man im Hintergrund eine zweite Person,
     die tiefe aggressive Stimme eines Mannes: »Komm her, verdammt noch mal!«
    »Cass?«
    Schreie am anderen Ende der Leitung.
    »Ich muss Schluss machen. Hau ab, Isabel. Hau ab!«
    »Aber   …«
    Die Verbindung wurde abgebrochen. Reflexartig wählte Isabel, so schnell sie konnte, Cassandras Nummer, doch eine weibliche
     Stimme bestätigte, was sie schon befürchtet hatte: Entweder Cass’ Handy war ausgeschaltet, oder sie hatte kein Netz. Was hatte
     Cass zu ihr gesagt? Sie solle abhauen. Das bekam sie ständig zu hören, aber wohin sollte sie denn gehen? Und wieso? Warum
     sollte sie ihr Leben hier einfach aufgeben? Isabel

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