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Der 3. Grad

Der 3. Grad

Titel: Der 3. Grad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Patterson
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gehabt hatte, bei diesen Burschen tatsächlich das Sagen zu haben. Jeder der beiden hatte doppelt so viele Dienstjahre auf dem Buckel wie ich. Ich wusste, auch sie hatten sich erst einmal mit dem Gedanken anfreunden müssen, dass die Mordkommission erstmals von einer Frau geleitet wurde.
    »Möchten Sie dem noch etwas hinzufügen, Warren?«, fragte ich.
    »Nee.« Er wippte auf den Absätzen. »Nur eins: Müssen wir morgen in Anzug und Krawatte antanzen, oder darf ich in Tennis-Shorts und Turnschuhen kommen?«
    Ich schob mich kopfschüttelnd an ihm vorbei. Da hörte ich noch einmal meinen Namen. »Lieutenant?«
    Ich wandte mich ungehalten um. »Ja, Warren?«
    »Das haben Sie gut gemacht heute.« Er nickte. »Diejenigen, auf die es ankommt, wissen das.«
14
    Die Fahrt nach Potrero Hill, wo ich eine Zweizimmerwohnung habe, dauerte nur zehn Minuten. Als ich eintrat, kam Martha mir schwanzwedelnd entgegen. Einer der Polizisten am Tatort hatte sie für mich heimgefahren.
    Die Anzeige des Anrufbeantworters blinkte. Jills Stimme: »Lindsay, ich habe dich im Büro zu erreichen versucht. Ich habe es gerade gehört ...« Fratelli: »Hören Sie, Lindsay, falls Sie heute Zeit haben...« Ich löschte die Nachricht, ohne mir seine Ausrede anzuhören.
    Ich ging ins Schlafzimmer und zog die Joggingsachen aus. Heute Abend wollte ich mit niemandem reden. Ich legte eine CD auf – Reverend Al Green. Dann stellte ich mich unter die Dusche und trank einen Schluck von dem Bier, das ich mir mit ins Bad genommen hatte. Ich lehnte mich zurück und ließ den wärmenden Strahl auf mich niederprasseln, und er schwemmte den Staub, den Ruß und den Aschegeruch aus meinen Haaren und von meiner Haut, bis die ganze Brühe gurgelnd zu meinen Füßen verschwand. Irgendwie war mir zum Heulen zumute.
    Ich fühlte mich so allein.
    Ich hätte heute sterben können
.
    Ich wünschte, ich hätte jemanden gehabt, der mich in den Arm nahm.
    Claire hatte ihren Edmund, der sie an einem Abend wie heute trösten konnte, nachdem sie drei verkohlte Leichen zusammengestückelt hatte. Jill hatte ihren Steve – na ja... Und sogar Martha hatte jemanden – nämlich mich!
    Zum ersten Mal seit langer Zeit musste ich an Chris denken. Es wäre so schön gewesen, ihn heute Abend hier bei mir zu haben. Achtzehn Monate war es jetzt her, dass er gestorben war. Ich war inzwischen so weit, dass ich die Vergangenheit hinter mir lassen und mich wieder jemandem öffnen konnte – wenn sich denn jemand gefunden hätte. Kein dramatischer Trommelwirbel. Kein »
And the winner is
...«. Nur diese kleine Stimme in meinem Herzen,
meine
Stimme, die mir sagte, dass es an der Zeit war.
    Und dann schweiften meine Gedanken ab zu der Szene in der Marina. Ich sah mich auf der Straße stehen, mit Martha an der Leine. Der wundervolle, windstille Morgen. Das schmucke Wohnhaus. Der rothaarige Junge, der mit seinem Kickboard Pirouetten vollführte. Der orangefarbene Lichtblitz.
    Ein ums andere Mal lief der Film vor meinem inneren Auge ab, und er endete immer an derselben Stelle.
    Du hast etwas übersehen
. Irgendetwas hatte ich herausgeschnitten.
    Die Frau, die unmittelbar vor der Explosion um die Ecke gebogen war. Ich hatte sie nur ganz kurz von hinten gesehen. Blond, mit Pferdeschwanz. Irgendetwas in ihren Armen. Aber das war es nicht, was mich störte.
    Sondern die Tatsache, dass sie nicht wieder aufgetaucht war.
    Bis jetzt hatte ich nicht darüber nachgedacht. Nach der Explosion... Der Junge mit dem Kickboard war da gewesen. Und viele andere. Aber die blonde Frau war nicht darunter gewesen. Niemand hatte sie befragt. Sie war nicht mehr aufgetaucht... Wieso?
    Weil das verdammte Luder weggelaufen war.
    Dieser Moment blitzte ständig erneut vor meinem geistigen Auge auf. Das Etwas in ihren Armen. Sie war auf der Flucht.
    Es war das Kindermädchen.
    Und das Bündel in ihren Armen?
    Das war das Lightower-Baby!
15
    Ihr Haar fiel in dicken blonden Büscheln auf die Badezimmerfliesen. Sie nahm die Schere und schnitt noch eine Strähne ab. Ab jetzt würde nichts mehr so sein wie vorher. Wendy war für ewig in der Versenkung verschwunden. Ein neues Gesicht begann vor ihr im Spiegel aufzutauchen. Sie verabschiedete sich von dem Kindermädchen, das sie die letzten fünf Monate gewesen war.
    Mit den Haaren schnitt sie auch ihre Vergangenheit ab. Wendy war ein Name aus
Peter Pan
, er hatte in der wirklichen Welt nichts verloren.
    Im Schlafzimmer schrie das Baby. »Schsch, Caitlin. Bitte, Schätzchen!«
    Sie

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