Der 3. Grad
Treffer gelandet«, antwortete er strahlend.
Das brachte blitzartig mein Blut in Wallung.
»Anruf von einem Safeway-Supermarkt auf der anderen Seite der Bay. Ein Verkäufer von der Nachtschicht glaubt, ihr Gesicht erkannt zu haben. Ein Video ist unterwegs. Er sagte, sie habe jetzt rote Haare und trage eine Sonnenbrille. Aber die hat sie für einen Moment abgenommen, um ihr Geld zu zählen, und er schwört, dass sie es ist.«
»
Wo genau
auf der anderen Seite, Warren?«
»Harmon Avenue in Oakland.« Ich rief mir den Stadtplan ins Gedächtnis, und wir hatten beide die gleiche Erleuchtung. »In der Nähe des McDonald's, wo die kleine Caitlin gefunden wurde.«
Geografisch passte alles zusammen. »Lass das Foto in jedes Schaufenster in dem Viertel hängen.«
»Schon passiert, Lieutenant.« Da war dieses gewisse Funkeln in Jacobis Augen, das ihn zuverlässig verriet, wenn er mit etwas hinterm Berg hielt.
»Wir haben einen Haufen Anrufe bekommen«, sagte ich und sah Warren fragend von der Seite an. »Wieso bist du so sicher, dass dieser hier keine Niete ist?«
Er zwinkerte mir zu. »Weil sie so ein Asthma-Sprühding gekauft hat.«
35
Cindy, Claire und ich hatten unsere Coronas schon fast ausgetrunken und den Teller mit Chicken Wings weitgehend geleert, als Jill endlich kam. Sie hängte ihre Jacke auf und ging zögernd auf unseren Tisch zu. Ihr dünnes Lächeln ließ deutlich erkennen, wie nervös sie war.
»So«, sagte sie, indem sie ihre Aktentasche auf den Tisch warf und sich auf den Stuhl neben Claire fallen ließ, »wer will als Erste in meinen Wunden rumstochern?«
»Das Einzige, worin hier rumgestochert wird, sind die Hühnerflügel«, sagte ich und kippte ihr den Rest aus einer Bierflasche ins Glas. »Cheers.«
Wir hoben alle unsere Gläser, Jill ein wenig widerstrebend. Und dann war es einen Moment lang still, während wir alle krampfhaft überlegten, was wir sagen sollten. Wie oft hatten wir schon so zusammengesessen? Am Anfang waren wir einfach nur vier Frauen mit knochenharten Jobs gewesen, die sich zusammengefunden hatten, um mit vereinten Kräften und Talenten ein Verbrechen aufzuklären.
»Auf die Freundschaft«, sagte Claire. »Auf vier Freundinnen, die immer füreinander da sein werden. In
allen
Lebenslagen, Jill.«
»Ich sollte wohl lieber austrinken«, meinte Jill, deren Augen schon feucht wurden, »bevor es mir noch aus der Nase ins Glas tropft.«
Dann leerte sie fast das halbe Glas mit einem tiefen Zug und holte tief Luft. »Okay, wir müssen ja wohl nicht um den heißen Brei herumreden, oder? Ihr wisst alle Bescheid?«
Wir nickten.
»Telefon, Telefax, Tele-Boxer.« Jill zwinkerte mir ironisch zu.
»Wenn du leidest, leiden wir alle mit«, sagte Claire. »Umgekehrt wäre es genau das Gleiche.«
»Das weiß ich doch«, erwiderte Jill nickend. »Ich schätze mal, als Nächstes werdet ihr mir sagen, dass ich so ganz und gar nicht in das Bild der typischen misshandelten Ehefrau passe.«
»Ich denke«, sagte ich und fuhr mir mit der Zunge über die Lippen, »das Nächste ist, dass du uns einfach erzählst, wie es dir geht.«
»Tja.« Sie atmete entschlossen durch. »Zunächst einmal: Ich werde nicht misshandelt. Wir streiten uns. Steve ist ein Tyrann, aber er ist noch nie mit Fäusten auf mich losgegangen. Er hat mich nie ins Gesicht geschlagen.«
Cindy wollte protestieren, doch Claire hielt sie zurück.
»Ich weiß, das kann sein Verhalten nicht entschuldigen und rechtfertigt nichts. Ich wollte nur, dass ihr es wisst.« Sie biss sich auf die Unterlippe. »Ich kann gar nicht richtig beschreiben, was ich empfinde. Dabei habe ich genug derartige Fälle verhandelt, um die Bandbreite der Gefühle zu kennen. Vor allem schäme ich mich. Es ist mir peinlich, zugeben zu müssen, dass ich es bin, der so etwas passiert.«
»Wie lange geht das schon so?«, fragte Claire.
Jill lehnte sich zurück und lächelte. »Willst du eine ehrliche Antwort hören – oder die, die ich mir selbst in den letzten Monaten pausenlos eingeredet habe? Die Wahrheit ist: Es fing schon vor unserer Heirat an.«
Ich merkte, wie ich die Zähne zusammenbiss.
»Ständig gab es irgendwas. Wie ich mich anzog; irgendetwas, das ich fürs Haus gekauft hatte und das nicht seinem Geschmack entsprach. Steve ist ganz groß darin, mir vorzuhalten, wie dumm ich bin.«
»Dumm?«, stieß Claire entgeistert hervor. »Du bist ihm doch geistig haushoch überlegen!«
»Steve ist ebenfalls kein Dummkopf«, sagte Jill. »Nur ein wenig
Weitere Kostenlose Bücher