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Der 3. Grad

Der 3. Grad

Titel: Der 3. Grad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Patterson
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akademischen Gefilde von Berkeley«, sagte Lemouz.
    »Mit ›hier‹ meine ich
überall
dort, wo sich irgendjemand zu derart entsetzlichen Taten hinreißen lassen könnte, Mr Lemouz.«
    »
Professor
, bitte«, entgegnete er. »Genauer gesagt, Inhaber der Lance-Hart-Professur für Romanische Sprachen.« Der Ansatz eines Lächelns spielte um seine Mundwinkel. »Wenn wir schon mit Titeln um uns werfen.«
    »Sie sagten, Sie fänden diese Morde nicht sehr überraschend.«
    »Warum sollten sie das sein?« Lemouz zuckte mit den Achseln. »Sollte der Patient überrascht sein, dass er krank ist, wenn sein ganzer Körper mit Geschwüren übersät ist? Unsere Gesellschaft ist krank, Lieutenant, und ausgerechnet die Leute, die die Krankheit selbst übertragen, drehen sich um und fragen erstaunt: ›Wer,
ich
?‹
    Wussten Sie«, fuhr er fort und hob die Augenbrauen, »dass die großen multinationalen Konzerne inzwischen eine Produktionsleistung aufweisen, die das Bruttosozialprodukt von neun zig Prozent der Länder dieser Erde übersteigt? Sie haben die Regierungen als Träger sozialer Verantwortung in unserer Welt abgelöst.
    Wie kommt es«, fragte er und lachte bitter, »dass wir so schnell bei der Hand sind, wenn es darum geht, den moralischen Skandal der Apartheid zu verdammen? Weil sie unser eigenes problematisches Verhältnis zur Rassenfrage berührt. Und warum verschließen wir die Augen, wenn es um
wirtschaftliche
Formen der Apartheid geht? Weil wir die Dinge nicht mit den Augen der Unterdrückten sehen. Wir sehen sie nur durch die Brille der Mächtigen. Der Konzerne. Der Fernsehanstalten.«
    »Entschuldigen Sie«, unterbrach ich ihn, »aber ich bin hier, weil vier Menschen auf grässliche Art und Weise ermordet wurden. Es geht um Leben und Tod.«
    »Allerdings, Lieutenant. Genau das will ich damit sagen.«
    Am liebsten hätte ich Lemouz am Kragen gepackt und kräftig geschüttelt. Stattdessen zog ich eine Kopie des Fotos von Wendy Raymores Studentenausweis aus der Tasche und legte sie auf den Tisch, zusammen mit einer Phantomzeichnung der Frau, die beim Betreten des Hotel Clift mit George Bengosian von der Überwachungskamera gefilmt worden war. »Kennen Sie diese beiden Frauen, Professor?«
    Lemouz musste sich beherrschen, um nicht zu lachen. »Warum sollte ich Ihnen helfen? Der Staat ist der Urheber dieser Ungerechtigkeiten, nicht diese beiden Frauen. Sagen Sie mir bitte: Wer hat die größere Ungerechtigkeit begangen? Die beiden verdächtigen Frauen oder« – er warf mir den
Chronicle
über den Schreibtisch zu, mit der Titelseite nach oben – »diese leuchtenden Beispiele unseres Systems?«
    Ich starrte auf die Fotos von Lightower und Bengosian.
    »Wenn diese Menschen das Signal zum Ausbruch eines Krieges geben«, fuhr Lemouz lachend fort, »dann sage ich nur: Sollen die Dinge doch ihren Lauf nehmen. Wie lautet doch der neue Slogan, Lieutenant?« Er lächelte. »Der Satz, den sich die Amerikaner im Vollgefühl ihrer moralischen Überlegenheit nach dem 11. September zu Eigen gemacht haben?
Let's roll
– Packen wir's an.«
    Ich raffte die Fotos zusammen, klappte meinen Notizblock zu und steckte alles in die Tasche. Dann stand ich auf. Ich fühlte mich erschöpft und beschmutzt, und ich beeilte mich, das Büro des Lance-Hart-Professors für Romanische Sprachen zu verlassen, ehe ich mich vergaß.
34
    Während der ganzen Fahrt zurück ins Präsidium kochte ich vor Wut über Lemouz' scheinheilige Tiraden. Dazu kam der Frust über die fehlenden Fortschritte bei unseren Ermittlungen. Ich war immer noch stinksauer, als ich kurz nach sechs das Büro betrat. Als Erstes rief ich Cindy an und machte mit ihr ein Treffen im Susie's aus. Möglicherweise würden wir bei ein paar leckeren Hummer-Quesadillas wenigstens
irgendetwas
zustande bringen. Ich brauchte die Mädels bei dieser Sache.
    Nachdem ich das Gespräch mit Cindy beendet hatte, kam Warren Jacobi zu mir ins Büro. »Yank Sing«, sagte er.
    »Yank Sing?«
    »Ist 'ne bessere Idee als Quesadillas. Ein Dim-Sum-Schuppen. Bei chinesischem Essen tauen alle Frauen auf. Das müsstest du doch wissen, Lindsay. Übrigens, angeblich war das Huhn mit Salz und Ingwer schuld am Niedergang der Qin-Dynastie. Wo bist du gewesen?« Er setzte sich. Er hatte was für mich. Ich kannte doch dieses verschlagene Grinsen.
    »Drüben in der ›Volksrepublik‹. Reine Zeitverschwendung. Hast du irgendwas, abgesehen von deiner Restaurantkritik?«
    »Wir haben bei der Fahndung nach Wendy Raymore einen

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