Der 48-Stunden-Mann (German Edition)
wusste, dass er verheiratet war. Im Unterricht konnte ich den Blick nicht mehr von ihm losreißen und hatte das Gefühl, dass ich ihm auch aufgefallen war. Als ich an dem Nachmittag nach Hause kam, wartete er vor dem Haus auf mich. Völlig ungehemmt saß er mitten auf der Eingangsveranda.“
Louise machte eine kurze Pause, bevor sie weitersprach. „Mama arbeitete damals in einer Bar am Stadtrand. Kurz bevor ich aus der Schule nach Hause kam, musste sie aus dem Haus und kehrte nicht vor Mitternacht zurück. Ich war immer ein braves Mädchen gewesen und hatte nie Dummheiten gemacht. Bis zu diesem Tag. Auf einmal war da das große leere Haus – und niemand da außer Earl und mir. Ich konnte ihm einfach nicht widerstehen.“
Nach dem letzten Schluck Kaffee stand Louise auf und erzählte weiter. „Die Affäre zog sich eine Weile hin, bis ich die Highschool abgeschlossen hatte. Lange habe ich geglaubt, niemand wüsste davon, aber dann hörte ich das Getuschel.“ Sie ging zum Spülbecken. „Es war mir so peinlich. Ich wollte damit aufhören, aber ich habe ihn geliebt. Oder habe es zumindest geglaubt. Und er hat mir gesagt, dass er mich liebt. Also habe ich mich weiter mit ihm getroffen. Und dann habe ich festgestellt, dass ich schwanger war.“
Sie ließ Wasser laufen und spülte die Tasse aus. Anstatt den Blick ins Zimmer zu richten, starrte sie aus dem Fenster. „Eines Abends hat meine Mutter mich dabei überrascht, wie ich in meinem Zimmer weinte. Sie wollte wissen, ob Earl mit mir Schluss gemacht hatte. In dem Moment war mir klar, dass sie wusste, was vor sich ging. Später hat sie mir erzählt, dass es in der Bar irgendwelche Probleme mit der Schanklizenz gegeben hatte. Earl hätte sie jederzeit schließen können, und er hat Mom gesagt, dass er das tun würde, wenn sie sich einmischt.“
Louise drehte sich zu Hannah um. „Sie brauchte den Job. Etwas anderes hatte sie nicht gelernt. Später habe ich erfahren, dass sie krank war. Nur ein paar Jahre später ist sie an Krebs gestorben, aber schon damals zeigten sich die ersten Symptome. Sie konnte es sich nicht erlauben, arbeitslos zu sein. Darum gab es niemanden, der Earl aufgehalten hätte. Nicht einmal ich selbst.“
Über die Umstände ihrer Empfängnis hatte Hannah noch nie nachgedacht. Ein älterer verheirateter Mann, der eine junge Frau ausnutzte. Keine schöne Vorstellung.
„Das hier ist ein kleiner Ort“, sagte sie langsam. „Es muss eine Menge Gerede gegeben haben.“
„Allerdings – und zwar reichlich. Als ich wusste, dass ich schwanger war, bin ich von hier weggegangen. Ich habe Earlnichts davon gesagt und ihm nur erzählt, dass ich es leid wäre und ihn verlassen wollte. Er hat mich angefleht, nicht zu gehen, und mir gesagt, dass er mich liebt. Das habe ich ihm nicht geglaubt. Ich kannte seinen Ruf und wusste, dass das, was ich getan hatte, falsch war. Aber diesmal wollte ich endlich alles richtig machen. Ich bin in ein Heim für ledige Mütter gegangen. Dort habe ich eine Fortbildung zur Bürokraft gemacht. Die Vermittlungsagentur, mit der das Heim zusammengearbeitet hat, hat ein nettes Paar gefunden, das dich adoptieren wollte.“ Louise stiegen die Tränen in die Augen. Sie hob das Kinn und blinzelte heftig dagegen an. „Sie waren doch ein nettes Paar, nicht wahr?“
Hannah nickte. „Sehr nett. Wunderbare Menschen.“ Sie musste schlucken und bekam kaum noch Luft.
„Das freut mich. Wirklich. Es war das Beste für dich. Da bin ich mir sicher. Es ist nur …“ Eine Träne löste sich und lief Louise über die Wange. Sie wischte sie weg und schniefte. „Sie haben mir nicht erlaubt, dich einmal in den Armen zu halten. Sie haben mir gesagt, dass du ein gesundes kleines Mädchen bist, und dann haben sie dich mir w… weggenommen.“ Ihr versagte die Stimme. „Das fand ich nicht richtig. Sie hätten mir erlauben sollen, dich zu halten.“
Tausende von Frauen auf der ganzen Welt hatten diese simple Geschichte schon tausendmal durchgespielt. Jeden Tag wurden unschuldige Mädchen verführt und gaben ihre Kinder weg, wenn sie schwanger wurden. Diese Geschichte hier unterschied sich in nichts von unzähligen anderen. Aber es war Hannahs Geschichte. Auch sie kämpfte mit den Tränen. Ihre Wut verflog und wurde von Traurigkeit ersetzt.
„Erzähl mir von ihnen“, bat Louise. „Die Leute, die dich adoptiert haben. Wie sind sie? Habt ihr noch viel Kontakt? Hast du ihnen von meinen Briefen erzählt?“
„Ich …“ Hannah wusste nicht, was
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