Der 50-50 Killer
tun, was der Mann wollte.
»Wir werden uns einfach eine Weile unterhalten«, sagte der Mann.
»Siehst du, was ich hier habe? Weißt du noch, was ich gemacht habe, bevor wir deine Wohnung verlassen haben?« Scott konnte sich nicht erinnern, obwohl er sich verzweifelt wünschte, er könnte es.
»Nein.«
»Ich war an deinem Computer.« Er deutete auf die Seiten und schien sie genau zu studieren. »Ich hab die hier ausgedruckt. Fünfhundert Gründe, warum ich dich liebe, steht da. Aber es sind nur zweihundertvierundsiebzig. Warum?« Das Feuer krachte. Sonst war die Welt draußen vor dem Schuppen still. Irgendwie schien es ihm wichtig, diese Ruhe nicht zu stören. »Ich bin noch nicht fertig«, flüsterte er.
»Es sollte ein Weihnachtsgeschenk werden?«
»Ja.«
»Das ist ja komisch. Ein Weihnachtsgeschenk für sie. Das hier.« Der Mann schüttelte die Blätter. »Das ist ein Pflaster für eine Schusswunde. Verstehst du?«
»Ja.«
»Nein, tust du nicht. Aber du wirst es schon noch kapieren.«
»Warum tun Sie das?«
Kurz versagte Scott die Stimme, und alles in seinem Blickfeld verschwamm. Verdammt noch mal. Er wollte in Gegenwart dieses Mannes nicht weinen. Er zog heftig durch die Nase hoch. Aber die Tränen kamen trotzdem, und durch sie hindurch sah er, wie der Mann ihn absolut mitleidlos beobachtete, so als wäre er ein Objekt unter einem Mikroskop. Als er sprach, klang es, als wäre seine Antwort vollkommen einleuchtend.
»Weil du etwas hast, was ich haben will, Scott.«
Er kennt meinen Namen.
Der Mann hielt die Blätter hoch.
»All dies gehört jetzt mir. Es ist eine Last für dich, und ich werde sie dir abnehmen. Du solltest mir dankbar sein.«
Scott begriff nicht. Er schniefte, sagte nichts.
»Ich denke, du hast das hier natürlich alles ziemlich wahllos aufgeschrieben, aber der erste Grund, den du genannt hast, ist interessant. Kannst du dich erinnern, was das ist? Denk scharf nach.«
Er erinnerte sich. Natürlich.
Seine Stimme klang dumpf: »Etwas darüber, wie wir uns kennengelernt haben.«
»Stimmt.« Der Mann nickte. »Nummer eins«, sagte er. »Wir hatten solches Glück, dass wir uns gefunden haben.«
Scott atmete tief durch und strengte sich an, nicht mehr zu weinen.
»Was heißt das?«, sagte der Mann. »Ich will, dass du mir davon erzählst.«
»Wie wir uns kennengelernt haben?«
»Ja.«
Er beugte sich ein bisschen näher heran, und das Licht stahl sich an den Konturen seiner Maske vorbei.
»Erzähl mir, wie viel Glück ihr hattet.«
Die Nachricht erschien ohne Tamtam oder Vorwarnung auf dem Bildschirm. Wenn er seinen Essay getippt hätte, statt im Internet zu surfen, hätte ein Tastendruck das kleine Fenster sofort verschwinden lassen, und das wär’s gewesen. Es hätte aufgeleuchtet, wäre verschwunden, und ihr Leben wäre ganz anders verlaufen.
Später sprachen sie oft darüber und schauten sich lachend in die Augen. Kannst du dir vorstellen, wie schrecklich es wäre, wenn …? Dann las er irgendwo, dass dies eine Standardphase in der ersten Zeit einer Beziehung war, diese Unterhaltungen über »Ich hätte dich nie treffen können«.
An der Universität bekam Scott oft Nachrichten von seinen Freunden aus dem Intranet. Man hatte Zugriff auf eine Liste von Usernamen, die zeigte, wer gerade online war, und dann konnte man auf jemanden klicken, den man kannte, und ihm eine Nachricht schicken. Diesmal jedoch kannte er den Absender nicht.
isz5jlm: (Hi – wie geht’s?)
»isz« stand für das Fach – Informatik, allerdings hatte er keine Ahnung, woher die Abkürzung kam. 5 stand für 1995 als Jahr des Studienbeginns, genau wie bei ihm. Und »jlm« waren die Initialen der betreffenden Person.
Er starrte sie einen Moment an und ging im Kopf die Liste seiner Freunde durch, dann den Kreis der Bekannten, die mit ihnen zusammenhingen. Vielleicht war es jemand, den er auf einer Party getroffen hatte. JLM, JLM … Wenn es so war, konnte er sich jedenfalls nicht erinnern.
Er runzelte die Stirn, klickte auf das Kreuz in der Ecke des Fensters und schloss es. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem Internet zu.
Zwanzig Sekunden später kam erneut eine Nachricht.
isz5jlm:(Ups – tut mir leid!)
Und das war alles.
Zumindest machte die zweite Nachricht klar, dass die erste ein Versehen gewesen war. Scott war merkwürdig enttäuscht.
Ein paar Sekunden vergingen, ohne dass etwas geschah. Augenblicke, dachte er später, wo das wunderbare Leben, das er haben
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