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Der 50-50 Killer

Der 50-50 Killer

Titel: Der 50-50 Killer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Mosby
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war immer gerade da, wo jemand anders auch hinmusste. Li hatte mehr Erfahrung und schaffte es mit Leichtigkeit, im Gedränge voranzukommen, während ich hinterherstolperte und den Anweisungen lauschte, die er mir zurief …
    »… schläft im Moment. Und ich verlange nicht mehr, als dass Sie ihn schlafen lassen, wenn er es braucht. Er muss ruhen …«
    … und so weiter.
    Ich nickte, obwohl er es nicht sehen konnte, und fragte mich, was zum Kuckuck er denn glaubte, was ich tun würde. Wahrscheinlich seinen Patienten mit einem Kuli erstechen.
    Als wir am Zimmer ankamen, stand der Sicherheitsmann schon da. Er war groß und kräftig und trug eine hellbraune Uniform. Li stellte mich vor, aber ich zeigte ihm trotzdem meine Dienstmarke und vergewisserte mich, dass er alles verstanden hatte. Außer dem Krankenhauspersonal und mir selbst war es niemandem erlaubt, Scott Banks’ Zimmer zu betreten.
    Jetzt saß ich still mit meiner Akte auf den Knien da und versuchte, mir eine Befragungsstrategie zurechtzulegen. Doch die Stille und die Dunkelheit wirkten einlullend und machten es schwierig, zu denken. Ich spürte, wie die Anspannung und Hektik des Tages von mir abfiel, wie die lange und erschöpfende Arbeit ihre Wirkung tat, und ich musste mich sehr zusammenreißen, um konzentriert zu bleiben.
    Selbstvertrauen kommt von Wissen.
    Was wusste ich also? Die offensichtlich ähnlichste Parallele, die mir einfiel, war Daniel Roseneil. Auch er war gequält worden, aber der physische Schmerz war nur ein Teil der Qualen. Roseneil war ein Mann, der gezwungen worden war, einen Menschen aufzugeben, den er liebte. Obwohl diese Entscheidung durch die Umstände entschärft wurde, traf ihn die Verantwortung so schwer, dass es unerträglich war, und deshalb hatte er die Erinnerung verdrängt, sie von sich geschleudert, wo niemand sie finden konnte. Wahrscheinlich würde es bei Scott genauso sein.
    Er will helfen, aber er hat Angst, sich zu erinnern.
    Ich stellte es mir wie eine Tür in seinem Kopf vor. Sein Unterbewusstsein hatte das Trauma hinter dieser Tür weggeschlossen. Doch er selbst konnte die Tür noch sehen und sich bestimmte Gedanken machen, was dahinterlag. Seine Freundin war dahinter, und sie war in Gefahr, deshalb wollte ein Teil von ihm instinktiv die Tür öffnen und ihr helfen.
    Aber ein anderer Teil von ihm wusste, was da sonst noch weggeschlossen war, und hielt ihn davon ab. Meine Aufgabe war es, diese beiden Teile in Einklang zu bringen. Ich musste den verängstigten Teil trösten und ablenken, während ich den anderen an diese Tür führte und ihm half, sie zu öffnen.
    Um das tun zu können, würde ich die Diskussion, die wir unten geführt hatten, völlig ignorieren müssen. Rein logisch gesehen, war ich sicher, dass Pete recht hatte. Scotts Freundin war wahrscheinlich tot und der Mörder verschwunden. In diesem Zimmer aber würde es zwei einfache Wahrheiten geben, an die ich mich halten würde, egal, was passierte:
    Jodie lebte noch, und wir würden sie finden. Dies waren die Grundregeln.
    Dann war da noch die Methode.
    Eigentlich läuft es immer darauf hinaus, dass im Grunde alle Befragungen sehr ähnlich sind.
    Ich erinnerte mich, dass ich einmal einen alten Mann vernommen hatte, von dem wir ziemlich sicher waren, dass er ein Kind von einem Spielplatz entführt hatte, und als ich mich mit ihm hinsetzte, wusste ich sofort, dass er unser Mann war. Er verzehrte sich vor Selbstekel und wollte einesteils das gestehen, was er getan hatte, und es ans Licht bringen, aber gleichzeitig brachte er es nicht über sich, es zuzugeben. Wir bekamen also nur Lügen und Ausflüchte von ihm zu hören. Er war nie da gewesen, sondern woanders, er hatte die Kleine nie gesehen. Er würde doch niemals einem kleinen Mädchen etwas antun.
    Aber die Wahrheit war chronologisch völlig geradlinig in seiner Erinnerung verankert, also führte ich ihn Schritt für Schritt dort entlang. Wo waren Sie um zwölf? Wo sind Sie dann hingegangen? Stellen Sie es sich genau vor, gehen Sie im Geist den ganzen Tag durch. Der alte Mann tat es und stieß immer mal wieder auf eine seiner Lügen und musste die Einzelheiten verschleiern. An einem bestimmten Punkt konnte er sich plötzlich nicht mehr so gut erinnern, also gingen wir etwas zurück und sprachen von etwas anderem. Dann bedrängten wir ihn wieder ein bisschen. Er konnte nicht entkommen und wusste es, und dadurch kam die Wahrheit stückweise an den Tag. Ja, er war auf dem Spielplatz gewesen, aber er hatte

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