Der 7. Lehrling (German Edition)
eine List, vielleicht ein überraschender Überfall oder etwas in dieser Art.
Besonders schwierig war, dass im Moment alle Hexen und Zauberer auf das ganze Land verteilt waren. Das machte eine schnelle Lösung des Problems nicht nur unmöglich, es warf auch viele weitere Fragen auf: Wann sollte die Befreiung stattfinden? Und wo? Und wie sollten alle, die daran beteiligt sein sollten, dorthin gelangen?
Milans Pferd lief den ganzen Nachmittag ohne Zügel am Uder entlang, als wenn es den weiteren Weg auch allein wüsste. Und der Rappe war auch der Einzige von beiden der mitbekam, dass der Regen langsam weniger wurde, während in Milans Kopf allmählich ein Plan entstand.
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Viel früher als an den letzten Tagen führten die grimmigen Bewacher ihre Gefangenen vom Weg ab und bildeten mit den Fuhrwerken und Karren den gewohnten Kreis. Medards Vater blickte sich zu Falk um und raunte ihm zu: „Wir müssen kurz vor Treer sein, wie ich vermutet habe. Sie wollen uns nicht in der Nähe der Stadt haben, damit wir nicht am Ende noch von Geflohenen befreit werden. Du wirst sehen: Nicht mehr lange, und die Hauptstreitmacht wird weiterziehen, um die Stadt zu belagern.“
Falk nickte zustimmend. „Das denke ich auch. Hoffentlich entschließen sich die Einwohner nicht zum Widerstand so wie in Balsberg. Dann werden sie wenigstens am Leben gelassen …“
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Die
12-Uhr-Speiche
war informiert. Nun saßen Amina und Linnea im Convenium über einem der übrig gebliebenen Laufzettel. Linnea erklärte, wie der Zauber funktionierte, zeigte Amina die richtige Bewegung der Finger und sagte dann: „
Haima niwjan
.“
Die Karte begann sich zu verändern. Überall, wo mittlerweile Kinder mit magischen Fähigkeiten gefunden worden waren, leuchteten hellgelbe Punkte auf. Der Weg der
Horden
schlängelte sich genau wie auf der großen Karte als braunes Band durch das Land und in einem etwas helleren Braunton von Treer aus weiter nach Enden. Die von Samuel und den anderen herausgesuchten Verstecke tauchten als weitere Markierungen rechts und links dieses Weges auf. Amina staunte. „Das gibt’s ja nicht!“
Linnea lächelte. „Liebe Amina, auch wenn Du mit Deiner Handwerkslehre fast fertig bist – es gibt noch eine ganze Menge, das Du als Hexe lernen kannst! Aber jetzt schnell wieder alles weg, damit Du üben kannst.“ Sie bewegte die Finger in der entgegengesetzten Reihenfolge und flüsterte: „
Gahwerban
“, woraufhin alles wieder so war wie vorher.
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Amina versuchte es so, wie sie auch den Kontakt zu anderen aufnahm. Alles andere verdrängte sie aus ihrem Geist, konzentrierte sich nur noch auf die Karte an der Wand und den Laufzettel. Dann bewegte sie die Finger so, wie Linnea ihr gezeigt hatte.
Mitten in der Bewegung hielt sie inne.
Nein, es fühlt sich nicht richtig an!
, dachte sie bei sich und schlug die Augen wieder auf.
„Was ist?“, wollte Linnea wissen. Sie hatte sehr wohl gesehen, dass die Bewegung der Finger nicht ganz richtig war, aber sie wollte hören, was Amina dazu zu sagen hatte.
„Es war nicht richtig“, antwortete ihre Schülerin. „Nein, anders: Es fühlte sich nicht richtig an. Deshalb wollte ich besser noch einmal nachfragen.“
Linnea war wieder einmal überrascht. Normalerweise
fühlten
Schüler erst nach langem Üben, ob etwas richtig war oder nicht. Dieses Mädchen war in der Tat einfach unglaublich! „Schau mir noch einmal genau zu“, sagte sie, ohne sich etwas anmerken zu lassen, „ich zeige es Dir.“
Amina konzentrierte sich erneut. Als sie dieses Mal die Finger bewegte, spürte sie die ganze Zeit, dass sie auf dem richtigen Weg war. Kurz bevor die Bewegung zum Ende kam, sagte sie leise „
Haima niwjan
“
und schlug die Augen wieder auf.
Als daraufhin die Karte sich zu verändern begann, schaute Linnea mit staunendem Kopfschütteln auf das Papier, während Amina aufsprang und jubelnd um den Tisch herumtanzte.
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Medard bekam es als Erster mit. „Seht! Sie machen sich bereit!“ Tatsächlich schwangen sich die ersten Krieger in den Sattel und bewegten sich auf die Straße zu. Mehr und mehr gesellten sich zu ihnen, bis die schweigsame, furchteinflößende Hauptstreitmacht der
Horden
abmarschbereit war.
Der Führer mit dem hellen Pferdeschweif auf dem Helm streckte die Hand nach vorn, und die Krieger setzten sich in Bewegung. Nur die übliche Zahl von Bewachern war geblieben.
„Hoffentlich tut sich irgendwo auf dem Weg eine große Erdspalte auf und
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