Der 7. Lehrling (German Edition)
trockene Husten war einer anderen, schleimigen Sorte gewichen, aber das hörte sich nur anders an als vorher. Weniger war es jedenfalls nicht geworden. Das Fieber hatte nicht nachgelassen. Falk ertrug alles mit Gleichgültigkeit, jedenfalls ließ er sich nicht anmerken ob ihm die Erkältung etwas ausmachte oder nicht. Quentin konnte ihm zwar nicht helfen, gesund zu werden, aber er versuchte wenigstens, ihn immer wieder ein wenig aufzuheitern. So erzählte er Abend für Abend die haarsträubendsten Geschichten, die er angeblich mit Simon erlebt hatte.
Immerhin: Es funktionierte. Falks und sogar Medards Laune wurde wenigstens nicht schlechter. Medards Vater bog sich nach jeder Geschichte vor Lachen, was besonders komisch aussah, weil er sich gleichzeitig bemühte, nicht zu viel Lärm zu machen, um die Wachen nicht anzulocken.
York lag seit ein paar Minuten keine Armlänge vom Wagen entfernt im dunklen Schatten und lauschte Quentins neuer Geschichte, während er gleichzeitig überlegte, wie er sich dem Jungen nähern sollte. Quentin zu finden war nicht schwer gewesen, er musste sich nur auf sein Gefühl verlassen, das ihn zielsicher hierhergeführt hatte.
Nebenbei beobachtete York die Wachen. Das hatte er schon an mehreren Abenden getan, und so hoffte er, dass sie auch heute wieder im gleichen Rhythmus die Gefangenen kontrollierten. Zwischen den Kontrollen blieb immer etwa eine halbe Stunde Zeit, in der sich die Krieger um ihre eigenen Angelegenheiten kümmerten.
Nach Yorks Gefühl konnte es bis zum nächsten Kontrollgang nicht mehr lange sein, denn die letzte Runde war gerade beendet gewesen, als er den alten Bach erreicht hatte. Leise zog er sich in das Dunkel des Bachbettes zurück.
York hatte gut geschätzt. Kaum am Bach angekommen sah er, wie sich die Wache erhob und zum Rundgang aufbrach. Reglos wartete er ab.
Die Wache schaute aufmerksam unter jeden Wagen. Niemand sprach ein Wort. Nach wenigen Minuten war es vorbei, und die Wache ging wieder zu ihrem eigenen Feuer zurück.
York schob sich langsam wieder an Quentins Wagen heran. Er hatte eine halbe Stunde.
Es ist wahr!
Quentins Geschichte war schon zu Ende gewesen, bevor die Wache herübergekommen war. Nun hing ein jeder seinen eigenen Gedanken nach, alle an die Innenseiten der Wagenräder gelehnt, so wie sie es sich im Laufe der Zeit angewöhnt hatten. Quentin hatte schon seit geraumer Zeit wieder dieses merkwürdige Gefühl im Bauch, aber er war gerade in Gedanken an zuhause versunken und achtete nicht darauf.
Falk sah York als Erster, als er plötzlich aus dem Dunkel auftauchte. Er erschrak, war aber geistesgegenwärtig genug, kein Geräusch von sich zu geben. Leise zischte er: „Seid Ihr verrückt? Wenn die Wachen gesehen haben, wie Ihr herübergekommen seid!“ Offenbar hielt er York für einen Mitgefangenen.
„Rück mal ein bisschen rüber, Quentin“, flüsterte York, ohne auf Falk einzugehen, und Quentin tat verdutzt, wie ihm geheißen war. York setzte sich neben Quentin ins Halbdunkel.
Medard hatte sich nicht täuschen lassen. „Ich kenne Euch nicht, Ihr seid kein Gefangener! Wenn Ihr einer der Söldner seid, dann macht Euch lieber darauf gefasst, dass es jetzt eine schmerzhafte …“
„Nur mit der Ruhe“, unterbrach ihn York. „Ich war schon in eurer Nähe, bevor die Söldner zu den
Horden
gestoßen sind. Es gab bloß bisher keine Möglichkeit, mit euch Kontakt aufzunehmen. Ich bin York. Und“, fuhr er zu Quentin gewandt fort, „ich bin der Beweis, den Amina Dir noch schuldig ist.“
Quentin und Falk brachten keinen Ton heraus. Quentin starrte York und Falk abwechselnd an, ohne einen klaren Gedanken fassen zu können. Das Einzige, was ihm immer wieder durch den Kopf schoss, war etwas wie
Es ist wahr! Ich habe nicht geträumt! Es ist wahr!
Medard war noch immer misstrauisch. „Wer ist Amina?“
„Das spielt keine Rolle“, wehrte York ab. „Ich denke, wir haben Wichtigeres zu besprechen, als Quentins Freunde einzeln aufzuzählen.“
Quentin wurde immer verwirrter.
Freunde! Er hat Freunde gesagt!
Falk überwand seine Überraschung und versuchte, das Gespräch in eine ungefährlichere Bahn zu lenken. „York, sagt uns bitte, ob wir gerettet werden können.“
York nickte, während er nachdachte, wie viel er ihnen sagen konnte. „Ja“, antwortete er dann. „Hilfe ist auf dem Weg. Ich kann noch nicht genau sagen, wann sie eintrifft, und auch nicht, auf welche Weise wir euch befreien werden. Das hängt auch ein
Weitere Kostenlose Bücher