Der 7. Rabe (German Edition)
gemundet … Als Unterhändler machte es sich allerdings weniger gut, die Brut des Gegners zu zerfleischen. Er war so schnell gelaufen, um Zwanzig Türme zu erreichen, dass sein Geleitschutz meilenweit zurückgeblieben war. Schwächlinge. Er war von Schwächlingen, Schwachköpfen und Verrätern umgeben! Farouche knurrte bei dem bloßen Gedanken. Falls Farres tatsächlich Verrat begangen hatte, würde sein Bruder erst mitansehen dürfen, wie sein Hühnchen Feder um Feder gerupft wurde, bevor er selbst dran war.
Farouche wollte es nicht glauben. Er liebte Farres von ganzem Herzen. Er würde für ihn sterben! Dass er ihn nicht wittern konnte, hatte wenig zu bedeuten. Der anhaltende Regen hatte jede Fährte zerstört, somit blieb ungewiss, ob er hierhergekommen war oder nicht. Es war alles völlig widersinnig, wenn Farres den Kleinen frei lassen wollte, hätte er ihn einfach dessen Rabenbrüdern überlassen können …
Wo blieb das widerliche Federvieh eigentlich? Farouche konnte in Wolfsgestalt nicht in die Feste der Raben eindringen, da Zwanzig Türme in luftiger Höhe lag. Der einzige Grund, warum dieses Pack noch nicht ausgerottet war.
Das schrille Krächzen kündigte sie an. Farouche hockte still wie eine Statue da und wartete geduldig, bis die sechs Rabenbrüder vor ihm gelandet waren. Gleichzeitig mit ihnen verwandelte er sich, bemüht, einen beherrschten Gesichtsausdruck zu präsentieren. Man musste ja nicht gleich den wilden Mann markieren, wenn man ausnahmsweise auf Diplomatie setzen musste, um Gewissheit zu erreichen …
„Was willst du hier?“, erkundigte sich der Älteste von ihnen. Seine Augen blickten suchend an ihm vorbei. Sicherlich hielt er Ausschau nach Farouches lahmarschigen Begleitern.
„Stell dich nicht dumm, Rakden. Du weißt genau, weswegen ich hier bin. Ich will mit Farres reden.“
Die Rabenbrüder sahen ihn und sich verwundert an.
„Farres? Hast du dich in der Feste geirrt? Geh und such deinen Bruder in deinem stinkenden Bau!“
„Lass dieses Spielchen“, fauchte Farouche. „Farres ist mit dem Hühnchen abgehauen und ich will ihn sofort sprechen, ehe ich meine Wölfe zusammenziehe und Zwanzig Türme bis auf die Grundmauern schleife!“
„Wenn du das könntest, hättest du es längst getan. Und ich kann es nur wiederholen, Farouche, weder Farres noch Raj sind hier.“
„Das ist ein Trick, Rakden“, mischte sich Randyn ein. „Ein fieser Trick dieses Schlächters. Raj ist umgekommen und nun versucht er seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen, indem er behauptet, dass sein Bruder mit Raj verschwunden ist.“
Verächtlich schnaufte Farouche. „Als hätte ich Furcht zuzugeben, einem von euch die Kehle herausgerissen zu haben. Da gab es einige, die dieses Los getroffen hat. Und auch auf dein Blut bin ich ganz scharf, Randyn.“ Diese Bemerkung löste pure Empörung unter den Raben aus, lediglich Rakden blieb ruhig. Er wandte sich ab und winkte seinen Brüdern, ihm zu folgen. Nur Randyn musste von Rynalph mitgezerrt werden.
„Damit ist das Gespräch beendet“, erklärte Rakden kühl über die Schulter hinweg.
„Wartet!“ Hastig hob Farouche in einer beschwichtigenden Geste die Hände. „Ich schwöre, dass ich euren Zwerg nicht umgebracht habe. Und ihr versichert mir, dass Farres nicht hier ist?“
„Wir wollen keine Wölfe in Zwanzig Türme. Deinen Bruder nicht und auch sonst keinen“, antwortete Rakden. Das klang ehrlich. Farouches Gedanken begannen fieberhaft zu kreiseln. Wo, bei allen Höllengeschöpfen, war Farres bloß hin? Was hatte er vor und war sein unbekanntes Vorhaben von Raj abhängig? Hatte er sich deswegen geweigert, das Hühnchen herauszugeben? Rakdens Überlegungen schienen in die gleiche Richtung zu gehen.
„Ich schicke Raben aus“, sagte er ruhig, obwohl er seine Aufregung vor Farouche nicht verbergen konnte. Dazu war seine Nase einfach zu empfindlich.
„Und ich meine Wölfe.“
Damit wurden die Karten neu gemischt. Wer immer die beiden zuerst fand, nahm die überlegende Position in ihrem Krieg ein. Farouches Blick glitt zu Randyn hinüber. Es war kein Geheimnis wie dieser Rabe zu dem Hühnchen stand und so hatte er sich auch nicht gewundert, dass ausgerechnet Randyn als Unterhändler bei ihm aufgetaucht war. Jetzt schimmerte deutliche Hoffnung in seinen dunklen Augen. Nein, die Raben hatten nicht gelogen. Farres und dieser magere Winzling waren nicht hier. Nun galt es den Wald von den besten Schnüfflern des Rudels durchsuchen zu lassen.
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