Der 7. Rabe (German Edition)
keine Gnade geben, lediglich ein erbitterter Kampf bis zum Tod. Farres war jung und kräftig. Ephrim dagegen war erfahren und hinterhältig wie ein Fuchs. Es gelang ihm seine Fänge in Farres‘ Ohr zu schlagen und es zu zerfetzen. Farres jaulte auf und kratzte mit seinen Krallen über Ephrims Nase, bis der ihn losließ. Keuchend fuhren sie auseinander, sich erst jetzt bewusst werdend, dass sie von fünf Raben umringt waren. Die Anwesenheit von Raj und seinen Brüdern gab Farres neuen Mut. Blut tropfte ihm von seinem zerfetzten Ohr, der Fuß schmerzte aufgrund der Anstrengung und dennoch musste er Ephrim besiegen oder dieser ganze Wahnsinn würde kein Ende nehmen. Er warf den Kopf in den Nacken und stieß ein langgezogenes Heulen aus. Ephrim witterte seine Chance und stürzte sich blindlings auf seine entblößte Kehle. Im letzten Moment drehte sich Farres weg und schnappte zu, traurig, erschüttert und dieses erbitterten Krieges unendlich müde. Knochen zersplitterten zwischen seinen Fängen. Ephrim zappelte und jaulte, bis seine Bewegungen schwächer wurden und er sich gar nicht mehr rührte. Trotzdem ließ ihn Farres eine ganze Weile nicht los. Der Schock hatte ihn genauso fest gepackt, wie er seinen einstigen Freund und heutigen Widersacher.
Raj und seine Brüder verwandelten sich, als Farres es endlich auch tat und dabei den Leichnam mit dem sauber gebrochenen Genick zu Boden gleiten ließ. Ohne ein Wort wandte sich Farres ab und humpelte mehrere Schritte von ihnen fort. Es war Randyn, der Raj aufforderte:
„Nun geh schon. Er braucht dich jetzt.“
Einen größeren Anschubs bedurfte es offenbar nicht. Raj rannte ihm hinterher und ohne ein Wort zu verlieren schlang er die Arme um seine verkrampfte Gestalt und schmiegte sein stoppelbärtiges Gesicht an seine Brust. Farres wusste, dass er nach Blut roch und dass dieser Gestank auch Raj unangenehm in die Nase dringen musste. Aber der Kleine ignorierte es.
„Es tut mir leid“, flüsterte Farres schließlich unter Tränen. „Guter Gott, du ahnst ja nicht, wie leid es mir tut.“
„Was?“, wagte Raj zu fragen und winkte seinen Brüdern näher zu kommen. Stockend begann Farres ihnen zu berichten, was er von Ephrim erfahren hatte.
„Alles, alles hat er eingefädelt und überall Zwietracht gesät. So viele Verluste hat es seinetwegen auf beiden Seiten gegeben. Und ich war ein Teil davon. Auch ich habe Raben getötet.“
„So wie wir Wölfe“, warf Rayskel nüchtern ein. Mit blutigen Fingern griff Farres nach Randyns Hände.
„Verzeih mir, dass ich angenommen habe, du hättest die Wolfseisen aufgestellt. Verzeih mir, dass ich deinen Worten anfangs nicht geglaubt habe.“ Verzweifelt suchte er in Randyns Augen nach Vergebung. Er brauchte ganz dringend eine Absolution, ansonsten würde er an der Schuld zerbrechen.
„Aber irgendwann sind dir Zweifel gekommen, nicht wahr? Und du hast begonnen, anders darüber zu denken“, antwortete Randyn leise. Farres nickte stumm.
„Du hast nun sieben Raben an deiner Seite, Wolf, und ich bin einer davon.“ Randyn drückte sanft und bestimmt seine Hände.
„Deine Wunden müssen versorgt werden. Besonders das Ohr sieht nicht gut aus. Wie soll Raj da seine Liebesschwüre hineinflüstern?“, brummte Risser und drehte Farres‘ Kopf, damit er die Verletzung besser betrachten konnte.
„Und dein Fuß … du humpelst wieder.“ Raj war dieses Detail nicht entgangen. Tatsächlich schmerzte diese Verletzung beinahe so schlimm, wie vor der Behandlung durch die Schlangenwandler. Dabei hatte Farres in den letzten Tagen lediglich ein wenig gehinkt, eine Behinderung, die ihn Zeit seines Lebens begleiten würde. Doch er war schmerzfrei gewesen. Inzwischen wusste er diesen Luxus zu schätzen.
„Raj, wie soll ich gegen Farouche antreten, wenn mir Ephrim bereits einen solchen Kummer verursacht. Und sieh mich an. Ephrim war ein alter Wolf und trotzdem hätte er mich beinahe besiegt …“
Raj küsste ihn, sicherlich um ihn zum Schweigen zu bringen. „Sei still und hör auf zu zweifeln. Ich glaube ganz fest an dich. Und deinen Kummer will ich gerne mittragen. Auch mir behagt das Töten nicht. Ich hege immer noch die Hoffnung, dass mein Plan funktioniert und wir Farouche besiegen können, ohne dass wir ihn töten müssen. Aber Risser hat recht. Wir müssen deine Wunden behandeln. Du bist völlig zerbissen.“
„Das hat Zeit, bis wir bei den Schlangen sind.“
„Von wegen das hat das Zeit. Dein Ohr tropft ununterbrochen
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