Der 8. Februar (German Edition)
immer als meine Freunde, die man mit Respekt behandeln musste. Andere Männer auf unseren Pferden zu sehen, tat mir sehr weh, ich war machtlos, fühlte mich übergangen und betrogen.
Die SA-Männer waren Bauern aus Heidau, die selbst nur Arbeitspferde hatten, die sich nicht zum Reiten eigneten. Traktoren waren selten, und alle Bauern verließen sich auf ihre Pferde. So kamen diese Kerle also zu uns und waren dann stundenlang mit unseren Tieren unterwegs. Hilflos sahen wir zu, wie sie vom Hof ritten....
Die Familie Lilie aus Breslau, Kunden von Papa, bestehend aus den Eltern und der Tochter Frau Brand, der Schwiegertochter mit kleinem Sohn, kamen in den Tagen nach der Räumung des Dorfes zu uns und wohnten im Esszimmer und Musikzimmer. Es war auch noch eine ältere Dame dabei, Frau Kanus. Die Firma in Breslau hieß „Kanus und Lilie.“ Papa versuchte sie noch mit dem Auto zur Bahn nach Liegnitz zu bringen, aber es fuhr kein Zug mehr und so kamen sie wieder mit zurück nach Heidau.
Papa sollte für unsere beiden Lastwagen Betriebsstoff-Bezugsscheine bekommen zum Transport der vorrätigen fertigen Kaninchenfelle für das Bodenpersonal der Luftwaffe und wartete auf einen Anruf aus Liegnitz, der aber nicht kam. Heute denke ich, er wollte sowieso nicht weg, und das Warten auf die Bezugsscheine diente nur zum Vorwand für die Polizei, die alle auf die Flucht schickte. Weshalb hatte er sonst falsche Papiere, die ihn, Mama und Ruth als Polen ausgaben?
Der Lastwagen war nicht beladen worden, nichts war tatsächlich vorbereitet. Ich machte mir zu dieser Zeit noch keine Gedanken, dass unsere Familie allein dableiben würde. Onkel Otto kam mit seiner Frau Klara und dem kleinen Sohn Erhard mit einem Lieferwagen am letzten Tag bei uns vorbei und beschwor Papa, zu fahren, der jedoch ablehnte. Nach einem kurzen Aufenthalt verabschiedeten wir uns, und sie fuhren weiter westlich nach Liegnitz, wo sie unter Beschuss gerieten. Sie mussten in einem Graben Schutz suchen, und beinahe wären deutsche Soldaten mit dem Lieferwagen weggefahren. Mit Mühe konnte er sein Auto verteidigen, und die Flucht gelang.
7. Der 8. Februar und eine schwere Entscheidung
Es war der Morgen des 8. Februar 1945, als ich um etwa sechs Uhr dreißig von dem Donnern eines oder mehrerer Geschütze geweckt wurde. Das war neu für uns Kinder und wir rannten ins Elternschlafzimmer. Papa war auch schon auf und stand am Fenster. Wir liefen zu ihm und versuchten auch etwas zu sehen, entdeckten aber nichts, es war zu dunkel. Papa sagte bestimmt:
„Zieht euch schnell an, lauft!“
Ruth und ich gehorchten ohne weitere Fragen. Mama stand auch auf und kümmerte sich um Ursula. Nur wenige Minuten später waren Ruth und ich fertig, hatten uns schnell gekämmt und gingen wieder zu unserem Vater. Das Artilleriefeuer war verstummt und es herrschte eine unheimliche Stille ringsum. Die Stille vor dem Sturm.
Papa, Ruth und ich gingen in eines der Zimmer unter dem Dach und sahen aus dem Fenster.
„Unsere Scheune in Dahme brennt,“
sagte Papa fast tonlos und er wusste, er konnte sie nicht mehr retten. Sie war voll mit ungedroschenem Weizen und Roggen. Russische Truppen zündeten viele Gebäude an, um die Menschen aus ihnen heraus zu treiben. Es war schrecklich, dieses Mal hatte ich eine unbeschreibliche Angst. Ein Blick nach links zeigte uns russische Panzer, die aus Richtung Parchwitz über den Schäferberg auf Heidau zurollten. Ich sah Soldaten im ersten Tageslicht auf unseren Hof zukommen, wobei ich nicht wusste, ob es deutsche oder russische waren. Dann setzte ein Höllenlärm ein und wir stürzten die Treppen hinunter in den Keller. Dort war ein Teil der Arbeiter, Polen und Ukrainer, versammelt. Es müssen insgesamt sechzig gewesen sein, die verschiedenen Kellerräume waren voll. Großmutter Pauline und Hans Krause waren auch schon da und standen links an einer Wand. Auf der anderen Seite fanden wir Mama, die Ursula an der Hand hielt. In allen Gesichtern sah ich Angst, große Angst. Mir schlug das Herz bis zum Hals und ich wollte Papas Hand nie mehr loslassen. Der Keller war eisig, doch vor lauter Angst fror ich nicht. Dort standen wir alle in der Dunkelheit und niemand sagte etwas. In diesem Moment stahl sich Großmutter Pauline davon, öffnete die Tür und ging nach oben. Krause sagte uns, sie habe die Handtasche mit ihren Papieren vergessen und wollte noch einmal nach oben in ihre Wohnung gehen, um sie zu holen.
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