Der 8. Februar (German Edition)
Grad Celsius, doch wir hatten glücklicherweise ausreichend Heizmaterial in diesem Winter. Im Keller hatten wir einen zugemauerten Raum, wo angeblich eine Waggonladung Kohle lag. Im Januar waren unsere Vorräte an allen lebenswichtigen Dingen noch sehr gut, wir hatten durch die Fabrik doch einige Vorteile, z.B. konnten wir Brennstoffe, Salz, Reste von Weizen und Kartoffeln lagern.
Als Heidau geräumt wurde, war nur Tante Frieda da. Sie fuhr die fünfzig Kilometer mit dem Fahrrad durch Schnee und Eis, weil die Straßen verstopft waren und die Bischwitzer umgeleitet wurden. Für sie gab es keinen Sitzplatz mehr auf Papas Lastwagen und so entschied sie sich für das Rad. Die Bischwitzer wurden, wie wir nachher erfuhren, über die Tschechei geschickt. Erschöpft kam sie bei uns an. Für eine kleine Frau wie sie war das eine enorme Leistung.
Papa holte Muttel mit fünf kleinen Kindern und Gepäck mit dem Lastwagen aus Klein-Bischwitz. Es waren Ruth Löffel, Tante Friedas Tochter geb 1941, Manfred 1941, Paul 1940 und die beiden Kinder von Onkel Ferdinand, Peter und Irmgard, die im gleichen Alter waren und auch noch nicht zur Schule gingen. Zu dieser Zeit waren die Heidauer und mit ihnen drei Gespanne mit Tante Frieda, Emma, Muttel und den Kindern unterwegs in Richtung Sachsen.
Die fünf Kinder bekamen Schlafsäcke aus Kaninchenfellen genäht. Unsere drei wurden von Wally aus Lammfellen in unserer Küche hergestellt. In der Fabrik war es tagsüber zu kalt. Abends heizte Papa für die Flüchtlinge, die ihre Wagen im Hof abstellen konnten und in den Fabrikräumen übernachteten. Unser Schornstein verkündete schon aus der Ferne Wärme, später diente er auch als Orientierungspunkt für die russischen Einquartierungen. Deutsche Truppen kamen aus Norwegen nach Schlesien, um die Sowjets zurückzuschlagen. Eine Kompanie von etwa zweihundertfünfzig Soldaten schlugen für vierzehn Tage ihr Lager auf einem unserer Felder auf. Unsere Wally nähte Handschuhe aus Kaninchenfell für die Offiziere im Tausch gegen Kaffee. Dann über Nacht wurde das Lager abgebrochen und wir wussten nicht, wohin sie gingen, aber es gab nur zwei Möglichkeiten:
Sie gingen entweder in Richtung Osten, um die Sowjets an der Oder aufzuhalten oder nach Westen, um Liegnitz zu verteidigen. Sie alle sahen sich so ähnlich, rauh und unrasiert. Einige waren sehr mager und ich wunderte mich, woher sie die Kraft zum Kämpfen hernehmen sollten. Fräulein Mantell, unsere Lehrerin, kochte in der Schulküche für die durchfahrenden Flüchtlinge. Dort schälte ich auch unzählige Stunden Kartoffeln. Jeden Tag gab es Salzkartoffeln mit Zwiebelsoße und Sauerkraut. Mehr stand nicht mehr zur Auswahl.
Papa gab unseren Verwandten Kasimir als Kutscher für die Flucht mit. Er war ein gefangener französischer Soldat, der heilfroh war, wegzukommen, und meine Eltern schätzten ihn als zuverlässig ein. Einmal im Monat bekam er ein Päckchen aus Frankreich und wenn eine Tafel Blockschokolade dabei war, teilte er sie mit uns. Er rechtfertigte das Vertrauen, wie Tante Frieda später berichtete. Er kümmerte sich um die ihm anvertrauten Menschen und brach erst in Richtung Frankreich auf, als er seine Schutzbefohlenen in Zeicha, Sachsen, untergebracht hatte.
Kasimir war mehrere Jahre bei uns. Er wurde von uns verköstigt und aß seine Mahlzeiten in der Küche, aber an einem anderen Tisch. Der Abstand musste aus politischen Gründen gewahrt werden. Wir wussten ja nie, wann eine Kontrolle der deutschen Aufsicht durchge-führt wurde. Eine Verbrüderung war strafbar. Die im Haushalt beschäftigten polnischen Mädchen durften mit uns am Tisch sitzen, sie waren normale Angestellte. Unsere Haustür war immer offen und an Eintopfsonntagen musste man damit rechnen, dass deutsche Kontrollen die Topfdeckel aufmachten. Die Heidauer SA-Männer waren gut organisiert, doch bei uns trauten sie sich wohl nicht oder hatten dementsprechende Befehle. Ich weiß, dass sie unsere Nachbarn kontrollierten, kann mich aber nicht an eine Durchsuchung in unserem Haus erinnern. Sie kamen jeden Sonntag zu uns und holten sich ganz dreist unsere Pferde zum Reiten. Papa ritt nie mit, da er sehr wütend darüber war, denn die Pferde mussten ja in der Woche auf den Feldern arbeiten und hatten sich einen Ruhetag verdient. Es waren auch gute Reitpferde, sie waren schlank und schön. Ich liebte sie alle und vermisste sie später sehr, ich wuchs ja mit ihnen auf und betrachtete sie
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