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Der 8. Februar (German Edition)

Der 8. Februar (German Edition)

Titel: Der 8. Februar (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeron North
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fertige Felle lagerten und wir uns setzen konnten. Von da aus sahen wir, wie sich die Soldaten mit weißen Schürzen in unserem Haus über das am Vortag geschlachtete Schwein hermachten. Keiner von uns in der Scheune bekam etwas davon ab, wir hätten wahrscheinlich sowieso nichts essen können. Später in der Nacht durften wir die Scheune verlassen, konnten jedoch nicht in unser Haus zurück, das von den Russen besetzt war. Wir mussten uns ein Nachtlager suchen, die Scheune wurde zu kalt.
       Wir gingen zu fünft in das übernächste Nachbarhaus, das der Familie Alteheld gehörte. Dort hatten sich schon seit ein paar Tagen polnische Arbeiter von uns einquartiert, die das zurückgebliebene Vieh versorgten. Damit hatten sie wenigstens Milch und Eier und sie überließen uns das Schlafzimmer im Obergeschoss. Ich erinnere mich an zwei Betten in einem spärlich eingerichteten Raum. Es war alles dunkel und weil wir keine Kerze hatten, mussten wir uns ohne Licht zurechtfinden und auf die beiden Betten verteilen. Jedenfalls hatten wir dort warme Decken und sogar Kissen. Wir zogen nur unsere Schuhe aus und deckten uns bis oben hin zu. Es dauerte eine Weile, bis uns warm wurde und wir einschliefen. Seit dieser Nacht schliefen wir immer in unseren Kleidern, aus Angst vor Überfällen. Jetzt hatten wir seit über vierundzwanzig Stunden weder etwas gegessen noch getrunken. Dieser Tag hatte unser Leben für immer verändert, nichts war mehr so wie früher. Was würde morgen auf uns warten?
       Es war eine vergleichsweise ruhige Nacht. Heidau war kampflos übergeben worden. Die Front schien sich etwas entfernt zu haben, Richtung Westen. An diesem verschneiten Tag ereignete sich eine Tragödie bei der Familie Jüttner. Beim Einmarsch der Russen gab es in Oberheidau ein Massaker. Der polnische Knecht des Bauern Jüttner hatte einem Soldaten gesagt, er sei schlecht behandelt worden, ob zu Recht oder Unrecht kann ich nicht sagen. Daraufhin wurde die ganze Familie erschossen und mit ihnen dreißig deutsche Flüchtlinge, die mit ihren Gespannen von der russischen Front überrascht worden waren. Tage später traute sich die alte Nachbarin Frau Grindel auf den verlassenen Hof und fand die Leichen in der Scheune. Liesel, eine Tochter Jüttners, war schwerverletzt und lag unter den toten Familienmitgliedern. Sie konnte mehr tot als lebendig geborgen werden. Am gleichen Februartag wurden noch mehrere alte Männer erschossen, die ich aber nicht kannte und Ruths Freundin Gerda Dittrich sagte, es waren Fremde.
       Am nächsten Morgen gingen wir ohne zu frühstücken in unser Haus zurück und die drei tschechischen Frauen Pollock halfen uns etwas einzupacken. Die Rotarmisten hatten Heidau schon in der Nacht verlassen.
       Mama steckte Bettwäsche und Decken in neue Jutesäcke. Das Geschirr und Porzellan wurde in große braune Körbe mit zwei Griffen gepackt. Wir befanden uns alle in der Diele vor der Küche und halfen so gut es ging. Plötzlich kamen russische Soldaten, rissen die Tür auf und riefen: „Uri, Uri!“ Uri bedeutete Uhr. Papa hatte keine Armbanduhr mehr, selbst die schöne Taschenuhr, die er sonst in der Brusttasche seiner Jacke trug, gab es nicht mehr. Er hatte sie entweder schon vorher abgenommen bekommen oder hatte sie gegen etwas getauscht. Mama gab dem ersten Russen ohne zu zögern und voller Angst ihre goldene Armbanduhr, doch der zweite Soldat wollte auch eine. Sie hatte ja keine mehr und holte stattdessen ihr Schmuckkästchen aus dem Versteck. Der Russe war mit dem Kästchen nicht zufrieden, schrie sie an und nahm es dann aber doch. Uhren waren die absolute Beute, jeder wollte Uhren. Wir wurden mit Waffen bedroht und angeschrien, konnten aber nichts machen. Wir hatten nichts mehr und ich glaube, Papa zeigte seine leeren Taschen. Danach gingen sie schimpfend wieder in den Hof und Papa sagte, ich solle Ruths Kommunionkerze vom Dachboden holen und ich lief los. Wir wollten sie auf unsere Reise mitnehmen, doch kaum kehrte ich mit ihr zurück, nahm sie mir ein Soldat schon wieder ab. Ich nahm mir vor, in Zukunft vorsichtiger zu sein und Schätze dieser Art in meiner Kleidung zu verstecken. In der gleichen Truppe gab es welche, die offensichtlich kein Wasserklosett kannten, denn sie tranken aus der Schüssel. Ich konnte das nicht verstehen. Andere stritten sich um eine Flasche Parfüm, die sie dann auch austranken, weil sie Alkohol enthielt. Später fanden wir eine unserer Scheibmaschinen im Graben, nachdem die

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