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Der 8. Februar (German Edition)

Der 8. Februar (German Edition)

Titel: Der 8. Februar (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeron North
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unter Ihnen sein, der davor zurückschreckt, die letzte Gefahr mit mir zu teilen, der kann noch heute seinen Abschied erhalten, ohne den geringsten Vorwurf von mir zu erleiden.“
    An dieser Stelle rief der Major Konstantin von Billerbeck dazwischen:
    „Das müsste ja ein infamer Hundsfott sein!“
    Friedrich beendete seine Ansprache mit:
    „Schon im Voraus war ich überzeugt, dass mich keiner von Ihnen verlassen würde. Ich rechne also auf Ihre Hilfe und auf den Sieg. Sollte ich fallen und Sie für Ihre Verdienste nicht belohnen können, so muss es das Vaterland tun. Gehen Sie nun in das Lager und wiederholen Sie den Regimentern, was Sie von mir gehört haben. Noch eins, meine Herrn. Das Regiment Kavallerie, das sich nicht gleich, wenn es befohlen wird, unaufhaltsam in den Feind stürzt, lasse ich nach der Schlacht absitzen und mache es zu einem Garnisonregiment. Das Bataillon Infanterie, das – es treffe, worauf es wolle – auch nur zu stocken anfängt, verliert die Fahne und das Seitengewehr, und ich lasse ihm die Litzen von der Montur schneiden. Nun leben Sie wohl, meine Herren! In kurzer Zeit haben wir den Feind geschlagen, oder wir sehen uns niemals wieder.“
    Die Schlacht wurde gewonnen und wir befanden uns jetzt genau an dieser Stelle, um unseren eigenen Kampf zu führen.
       Unsere Reise ging weiter. Sie führte durch den Schnee und ich hatte den Eindruck, wir wären die einzigen Menschen im ganzen Land. Wir verstanden die russischen Befehle nicht und ich hatte Angst, suchte immer Mamas Nähe, der es natürlich genauso ging. Schweigend gingen die Stunden dahin, die Reise schien endlos. Mein Magen war leer und krampfte sich zusammen.
       Abends hielten wir in einem Dorf und wegen der großen Kälte wurde in einem Gasthaussaal Stroh ausgelegt, in dem wir die Nacht verbringen sollten. Russische Soldaten zählten die Ankömmlige. Wir Kinder krabbelten wieder in unsere Fellschlafsäcke, die wir für den kurzen Weg vom Wagen zum Saal ausgezogen hatten. Alle anderen hatten Wolldecken, Kleidungsstücke und was immer sie nutzen konnten, zum Zudecken. Bevor wir jedoch zum Schlafen kamen wurde die Saaltür aufgerissen und die Soldaten leuchteten mit brennenden Kienspänen in die Gesichter der Gefangenen. Sie zählten erneut ab und deuteten auf die Frauen, die mitkommen sollten. Papa hatte Ruths Kopf unter die Decke gesteckt und sie wurde nicht entdeckt, demzufolge auch nicht mitgezählt. Die Russen kannten die Gesamtzahl und als sich herausstellte, dass eine Frau fehlte, wurde es laut. Papa bat Frau Swoboda, die aufgrund ihres höheren Alters nicht ausgesucht worden war, anstelle von Ruth zu gehen. Alle wussten, dass den ausgesuchten Frauen Vergewaltigungen bevorstanden. Sie hatte keine Kinder und ihr Mann war Soldat. Sie nickte ohne zu zögern, stand auf und ging tapfer ihrem Schicksal entgegen. In meiner Erinnerung habe ich ihr ein Denkmal gesetzt, ich werde dieses Opfer nicht vergessen.
       Ruths Freundin aus der Glockschützer Zeit, Rosel Priwattke, hatte sich nach der ersten Nacht auf einem Dachboden erhängt. Sie konnte mit der Erinnerung an eine russische Vergewaltigung nicht weiterleben. Das erfuhren wir natürlich erst viel später. Es gab unzählige Selbstmorde aus dem gleichen Grund. Der kommunistische Führer Stalin hatte seine Truppen ermutigt, Vergewaltigungen durchzuführen.
       Der Weg am nächsten Tag sollte über Steinau an der Oder führen. Wir wurden von russischen Truppen angehalten, denn die Oderbrücke war im Kampf beschädigt worden und nicht mehr benutzbar. Die Russen befahlen den polnischen Männern, sie zu reparieren. Papa galt ja als Pole und war somit auch betroffen. Wir anderen suchten ein Haus in der Nähe, und die Frauen machten Feuer in den Öfen. Wir fanden eine Leiter, die auf den Dachboden führte, und sofort beschlossen die jungen Frauen und ein paar der jungen Männer sich in diesem Raum vor den Zugriffen der Russen zu verstecken. Ruth kletterte mit ihnen nach oben, danach wurde die Leiter hochgezogen und die Klappe wurde von oben verschlossen. Ruth und die anderen waren vorerst in Sicherheit. Zusammen mit den Polen wohnten wir eine Woche in diesem kleinen verlassenen Haus, in dessen Küche für alle Bewohner gekocht wurde. Da es nicht viel gab, wurden wir immer schwächer und unsere Gesichter veränderten sich schnell.
       Wir waren halb erfroren, müde und immer hungrig. Unsere Hände strotzten vor Schmutz und wir gaben es bald auf, sie mit Schnee zu reinigen.

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