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Der 8. Februar (German Edition)

Der 8. Februar (German Edition)

Titel: Der 8. Februar (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeron North
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nicht hatte, war nur sehr schwer zu bekommen. Es gab zum Beispiel keine Waschmittel mehr. Wir fanden noch einen Behälter mit einem Wollwaschmittel für Nerzfelle in der Gerberei, das wir für uns selbst, die Kleidung und das Geschirr benutzten.
       Die Familie Dittrich war schon am 21.1.1945 mit einem Wagen, zwei Pferden und zwei Ochsen in Richtung Zeicha geflüchtet. Sie wurde von ihren Verwandten, den Familien Tschäpe und Menzel begleitet, die auch ihre Wagen und Tiere hatten. Sie alle kamen nicht sehr weit, denn schon in Kunitz brach eine Achse an Dittrichs Wagen. Trotzdem flohen sie weiter ohne den Wagen und kamen am neunten Februar in Fellendorf an. Dabei wurden sie von russischen Truppen überrascht, die ihre Stalinorgeln (ein Spitzname für die russischen Geschütze, die bis zu vierzig Raketengeschosse gleichzeitig abfeuern konnten) einsetzten und weithin zu hören waren. Die Russen schickten die drei Familien und die Fellendorfer mit einer einzigen Evakuierungsaktion in Richtung Osten. Sie kamen bis Gross-Beckern vor Liegnitz. Am zweiten Tag liefen sie nach Kunitz und wohnten vierzehn Tage bei einer Kusine aus Menzels Familie, die auch schon auf der Flucht war. Frau Dittrich und Frau Menzel, beide etwa sechzig, gingen dann zu Fuß nach Heidau zurück, um zu sehen, ob das Haus noch stand und man dort leben könnte. Es gab nur einen einzigen Mann in der Gruppe, Ernst Dittrich, der schon über siebzig war. Alle drei Familien kamen wieder nach Heidau. Die Fellendorfer blieben in Kunitz, bis sich die russische Front weiter nach Westen bewegte und danach zogen sie wahrscheinlich wieder nach Hause. Wir bekamen keine Nachricht und trafen die drei Familien erst später wieder, da sie und wir uns für einige Zeit nicht aus den Häusern trauten, und so wusste keiner von der Anwesenheit der anderen.
     

9. Unser Vater Artur
     
       Am 1. März 1945 erschienen drei Russen in schwarzen Ledermänteln auf unserem Hof. Mama hatte gerade einen Kuchen ohne Eier für meinen elften Geburtstag gebacken. Eier waren absolute Mangelware, doch Mama brachte es irgendwie fertig, ohne sie auszukommen. Der himmlische Geruch des Kuchens lag in der Luft, und ich konnte es kaum abwarten, ein Stück zu essen, als diese drei Männer Papa aufforderten, ihnen einen Weg zu zeigen. Ruth lief mit und sah, wie er in ein Auto einsteigen musste und sie zusammen den Hof in Richtung Liegnitz verließen. Ich stand am Fenster und war ziemlich verwirrt. Papa würde doch an meinem Ehrentag nicht wegfahren?
       Er kam an diesem Tag nicht zurück und Mama mit Ruth versuchten, mich zu beruhigen. Am nächsten Tag warteten wir hoffnungsvoll auf seine Rückkehr, es war ja nicht das erste Mal, dass er abgeführt worden war. Wahrscheinlich handelte es sich um eines der häufigen Verhöre und sie würden ihn dann wieder laufen lassen. Als keine Nachricht kam, waren wir uns am zweiten Tag nicht mehr sicher, ob wir ihn jemals wiedersehen würden.
       Eines Tages im April war Ruth gerade auf Neumanns Plumpsklo, da hörte sie Motorengeräusche im Hof und spähte mit Schrecken durch die kleine herzförmige Öffnung in der Tür. Zwei russische Militärlastwagen hielten an und die Motoren wurden abgestellt. Zwanzig Soldaten sprangen herunter und zwei von ihnen brachen die Haustür auf. Sie gingen hinein und fanden ein junges Mädchen mit einem Gipsbein allein im Wohnzimmer vor. Frau Neumann war außer Haus, und so hatten die Soldaten ein leichtes Spiel. Nacheinander wurde sie von allen zwanzig vergewaltigt. Ruth wusste zu diesem Zeitpunkt nichts von dem Mädchen, weil es erst einen Tag zuvor bei Frau Neumann abgegeben worden war. Ihre Mutter suchte eine Bleibe und einen Wagen oder eine Karre für ihre Tochter. Sie waren ganz auf sich gestellt, der Vater war im Krieg gefallen. Ruth verhielt sich absolut ruhig in ihrem Häuschen, weil sie verständlicherweise große Angst hatte. Es hätte ja sein können, dass ein oder mehrere Soldaten das Klo benutzen wollten oder durch ein Geräusch angelockt werden konnten.
       Es dauerte lange, bis die Soldaten wieder grölend abzogen. Sie hatten bestimmt ein paar Flaschen Wodka dabei. In den Häusern gab es schon lange keinen Alkohol mehr. Das Schicksal hatte Ruth einmal mehr verschont und als sie sich sicher fühlte, kam sie nach Hause und erzählte mit einem Zittern, was sie gesehen hatte. Frau Neumann sprach später mit Mama und da erfuhren wir erst von dem grausamen Erlebnis des Mädchens. Sie machte sich große

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