Der 8. Tag
auf der Basis dessen, was wir vom menschlichen Gehirn wissen. Genau wie das Gehirn keine zentrale Schaltstation hat, durch die jede Information geht, so haben heute die Computer auch keinen zentralen Prozessor mehr. Sie haben viele parallel geschaltete Prozessoren, die mit einer Software laufen, die Gehirnströme simulieren soll, sie verrichten ihre Aufgabe und erzeugen in ihrem Zusammenspiel einen optimalen Zustand.«
»Meinst du einen Zustand des Denkens?«, fragte Clive nach und fand die Streichholzschachtel schließlich platt gedrückt in der Gesäßtasche seiner Hose.
Helen redete, bevor Tessa antworten konnte. »Das Denken hat seinen Ursprung in Gehirnen, die das Ergebnis von Millionen von Jahren der Evolution sind. Eine Maschine wird ganz offensichtlich entweder von Menschen oder von anderen Maschinen hergestellt. Sie hat sich nicht durch Mutationen oder natürliche Selektion entwickelt.«
»Das, würde ich sagen«, meinte Clive und schnitt das Ende einer seiner schön verpackten Zigarren ab, die er gerne nach dem Essen rauchte, »ist möglicherweise nur eine Frage der Wortwahl.«
Tessa wandte sich Helen zu und hob warnend den Finger.
»Bevor du weiter auf dem Unterschied zwischen Gehirnen und Maschinen bestehst, werfen wir doch mal einen Blick auf ihre Gemeinsamkeiten. Ich habe gesagt, dass wir Computer nach dem Vorbild von Gehirnen bauen. Das Gehirn besteht aus Milliarden von Nervenzellen, von denen keine aus sich selbst heraus wissensdurstig oder intelligent ist. Eine Nervenzelle kennt nur zwei Zustände, an oder aus. Sie leitet, abhängig von dem Reiz, den sie von ihren Nachbarzellen erhält, diesen weiter oder tut es nicht. Wenn der Reiz über einer bestimmten Schwelle liegt, dann leitet sie ihn weiter, wenn er darunter liegt, dann nicht. Stimmen wir so weit überein?«
Helen nickte sachverständig und ermunterte sie fortzufahren. Das schwere Aroma der Havanna driftete aus Clives Richtung herüber.
»Das Äquivalent zu den Nervenzellen sind beim Computer die Bits«, erklärte Tessa weiter. »Ein Bit ist so etwas wie ein Schalter, der nur zwei Positionen einnehmen kann. Du kannst die beiden Positionen ›an‹ und ›aus‹, ›x‹ und ›y‹, oder ›0‹ und
›1‹ nennen. Genauso wie unsere Gedanken komplexe Muster von Nervenzellen sind, die einen Reiz weiterleiten oder nicht, bestehen die Vorgänge in einem Computer aus Bits, die auf an oder aus stehen.«
»Ich verstehe genau, was du sagen willst«, unterbrach Helen sie ungeduldig, »aber so läuft es nicht. Du schaffst es vielleicht, eine Maschine intelligent wirken zu lassen, doch alles, was eine Maschine tut, ist Aufgaben erledigen, für die sie programmiert worden ist. Genauso gut kannst du behaupten, nur so zum Beispiel, eine Autowaschanlage ist intelligent.«
»Du siehst das Wesentliche nicht. Eine Autowaschanlage ist eine mechanische Vorrichtung… «
»Und was ist ein Computer?«, unterbrach Helen mit einem abfälligen Lachen, als ob damit die Sache entschieden wäre.
»Ein Computer«, Tessa hatte nicht vor einen fußbreit Boden preiszugeben, »ist ein mechanisches Gerät, in dem ein Nervensystem sich verändert und entwickelt in der gleichen Weise, wie du es bei einem menschlichen Gehirn voraussetzt. Es gibt deutliche Übereinstimmungen in der Art, wie beide die Informationen, die sie erhalten, verarbeiten.«
»Aber die Maschine funktioniert einfach nur«, beharrte Helen. »Sie weiß nicht, was sie tut. Sie hat kein Bewusstsein.«
»Denk daran«, forderte Tessa sie auf, »dass wir genauso wenig wissen, was Bewusstsein ist, wie wir wissen, was Denken ist. Wir wissen nur, dass es existiert.«
»Arbeitest du jetzt mit religiösen Argumenten?«, fragte Clive mit sanftem Vorwurf und hob eine Augenbraue in Tessas Richtung. »Willst du ausdrücken, dass wir es hier mit etwas zu tun haben, dass jenseits unseres Verständnisses liegt?«
»Ich behaupte, wir haben es hier mit etwas zu tun, das wir noch lernen müssen zu begreifen. Deshalb steht die Wissenschaft, entschuldige Helen, aber ich muss das sagen, über der Religion. Die Wissenschaft stellt immer wieder Fragen und versteht Stück für Stück etwas mehr. Wohingegen die Religion sich zurücklehnt und sagt, wir werden das nie verstehen, also nennen wir es Gott und vergessen die ganze Sache.«
»Stimmt nicht.«
»Wenn du meinst. Aber es ist doch eine offensichtliche Ungereimtheit, wenn wir nicht wissen, wie Bewusstsein im menschlichen Geist entsteht, und dann behaupten, es
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