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Der 8. Tag

Der 8. Tag

Titel: Der 8. Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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gedachten Anträgen.
    Sie lächelte, als sie Ted Sawyers schlaksige Gestalt durch die Hotellobby auf sich zukommen sah, wobei er sie mit seinen unvorstellbar weißen, amerikanischen Zähnen anstrahlte und ihr mit einem seiner langen, dünnen Arme, der sich in alle Richtungen zu verrenken schien, zuwinkte. Ted war Professor für Philosophie an einer Universität im Mittelwesten und dazu noch einer ihrer hartnäckigeren Verehrer.
    »Mein Gott, du bist ja noch schöner, als ich in Erinnerung hatte!« Seine Arme schlangen sich um sie und sein Körper beugte sich wie eine jener biegsamen Schreibtischlampen herab um ihr einen Kuss auf die Wange zu geben. »Ich habe eine Flasche Champagner auf meinem Zimmer, das eine wunderbare Aussicht hat, und wenn wir uns beeilen, können wir noch eineinhalb Stunden ausgefüllten und intensiven Sex miteinander haben, bevor wir uns John Redways Vortrag über neurale Mikroprozesse in Nervenzellen anhören, von dem jeder behauptet, es wäre das Ereignis der diesjährigen Konferenz.«
    »Ted, lass mich wenigstens vorher noch das Anmeldeformular ausfüllen.«
    »War das ein ja? Halleluja! Gehen wir doch auf dein Zimmer, das spart Zeit. Ich lasse Champagner dorthin bringen.«
    Sie lachte, als sie seine langen Finger an ihrem Ellenbogen spürte und sie zur Rezeption gedrängt wurde. »Ich treffe dich um sieben bei John Redways Vortrag und keine Minute früher«, schaffte sie mit einiger Bestimmtheit zu sagen. »Wir können nebeneinander sitzen.«
    »Dann werde ich mich nicht konzentrieren können.«
    »Gut, dann sitzen wir nicht nebeneinander.«
    »Ich werde mit dieser Zurückweisung nicht fertig. Ich warne dich, ich werde krank und dann bekommst du Schuldgefühle.«
    Sie füllte das Anmeldeformular aus, nahm ihren Schlüssel und ihre Ausfertigung des Zeitplans für die vier Tage in Empfang und fragte sich, ob sie Ted sagen sollte, dass sie schwanger war. Das würde sein Feuer vielleicht dämpfen oder auch nicht. In Bezug auf Ted wagte sie nicht eine Vorhersage zu machen. Sie wusste noch nicht einmal, ob er sich gegenüber jeder Frau, die er traf, so verhielt oder nur bei ihr. Ganz sicher war er nicht berüchtigt dafür; ihr waren keine Geschichten dieser Art von Kolleginnen zu Ohren gekommen. Möglicherweise war sie die Einzige, die er mit dieser nicht verletzenden und irgendwie gutmütigen Art mangelnden Respekts verfolgte, sodass sie sich ein bisschen geschmeichelt fühlte und es etwas bedauerte, ihn zumindest auf der sexuellen Ebene nicht im Mindesten anziehend zu finden. Ohne Zweifel war er einer der intelligentesten und weitestdenkenden Männer, die sie kannte; wenn sie auf dieser Konferenz mit irgendjemandem über ihr Programm und dessen Konsequenzen sprechen würde (sie hatte noch keine Entscheidung darüber getroffen, vielleicht würde sie auch zuerst einen Artikel schreiben), dann wäre es Ted.
    In der Zwischenzeit war sie zu den Fahrstühlen hinübergegangen, während Ted immer noch an ihrer Seite auf sie einredete, ohne dass sie ein Wort davon mitbekommen hatte. Plötzlich schloss sich die Lifttür und sein frohes, lustiges Grinsen verschwand, wie das der Cheshire Cat in »Alice im Wunderland.« Das, woran sie sich in den letzten zwei Tagen gezwungen hatte nicht zu denken, brach jetzt über sie herein. Sie schauderte bei dem Gedanken an die Fruchtwasserpunktion und wie sie fast ohnmächtig geworden war, als die lange Stahlnadel, die nach Maßgabe des Ultraschallbildes geführt wurde, in ihren Körper eingedrungen war. Es war eines der unangenehmsten Dinge, die ihr je widerfahren waren. Von diesem Augenblick an hatte sie sich vorgenommen nicht an ihre Schwangerschaft zu denken, bis das Ergebnis der Untersuchung vorliegen würde, und dann nur, wenn alles in Ordnung wäre. Bis dahin würde sie alles verdrängen: Sie wäre nicht schwanger, es würde kein Kind geben, alles war nicht wahr.
    Sie ließ sich ein Bad einlaufen, legte sich ins Wasser und schloss die Augen. Sie musste eingeschlafen sein, denn als Nächstes stellte sie fest, dass ihr nach der Uhr, die sie auf dem Rand der Badewanne abgelegt hatte, noch zwölf Minuten blieben sich anzukleiden und rechtzeitig für die Eröffnungsveranstaltung des Wochenendes nach unten zu gehen.
    Ted hatte wie angekündigt den Sitz neben sich freigehalten und schaute sich nervös nach ihr um. Tessa drängte sich zu ihm durch, wobei sie dauernd alte Bekannte begrüßen musste.
    »Ich muss dir etwas sagen«, flüsterte er in ihr Ohr. »Ich habe

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