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Der 8. Tag

Der 8. Tag

Titel: Der 8. Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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Eine Art von Transplantation.« Sie schob sich an ihm vorbei zum Kühlschrank und war sich nur zu bewusst, dass ihre Stimme, wie bei einem klugen Schulmädchen, das stolz vorführt, was es gelernt hat, affektiert und überzogen klang.
    Clive drehte sich um, sodass sein Blick ihr folgen konnte.
    »Transplantation?«
    Sie beugte sich vor um den Kühlschrank zu öffnen und eine Tüte Milch herauszunehmen. »Wir arbeiten hier nicht mit organischer Materie, aber es funktioniert nach dem gleichen Prinzip.«
    »Wie?«
    Sie schaute ihn jetzt wieder an, doch diesmal von der anderen Seite des kleines Raumes aus. »Du weißt, was passiert, wenn man ein Organ oder auch nur Haut von einer Person auf eine andere übertragen will. Das Immunsystem des Körper betrachtet das Transplantat als einen Angriff, eine Infektion und unternimmt alles um es abzustoßen. Aus diesem Grund muss man einen Spender finden, der genetisch so weit wie möglich mit dem Empfänger übereinstimmt, wenn möglich ein Familienmitglied. Optimal ist, wenn Spender und Empfänger eineiige Zwillinge sind. Dann wird das Transplantat ohne jeden Widerstand akzeptiert. Es handelt sich nicht um fremdes Gewebe, also keine Abwehrreaktion.«
    Hinter Clive begann das Wasser zu kochen und vom Kessel kam ein Pfeifton. Sie musste sich wieder an ihm vorbeischieben um dorthin zu gelangen. Er tat sein Bestes um ihr auszuweichen, aber sie war verlegen und nervös und bereute schon ihren Vorschlag Tee zu trinken.
    »Willst du damit sagen«, fragte er, als sie ihm Tee einschenkte, »dass du Paul in dieses Ding da draußen transplantieren willst?«
    »Es würde noch nicht einmal eine Transplantation sein.
    Paul und das Ding da draußen sind ein Programm. Wie einenge Zwillinge oder Klone. Es gibt zwischen ihnen keinen Unterschied. Außer dass Paul anders denkt. Die Gedanken eines Gehirns gleichen nicht denen eines physikalisch identischen Gehirns, denn die Erfahrungen unterscheiden sich.«
    »Oder die Gedanken von zwei Kopien desselben Computerprogramms.«
    Sie nickte bestätigend. »Paul und sein Zwilling da draußen sind identisch bis auf den Umstand, dass sie verschieden aufgewachsen sind. Der eine ist in eine fremde, gefährliche Welt geworfen worden, für die er nicht bereit war. Es überrascht mich nicht, dass er verrückt, gefährlich und nur aufs Überleben ausgerichtet ist. Krank, von welcher Warte man es auch betrachtet. Paul dagegen ist zivilisiert oder zumindest auf dem Weg dazu.«
    »Mit anderen Worten, es ist nur eine Frage des Standpunktes.«
    »In gewisser Weise.«
    Er blieb eine Weile stumm und meinte dann sehr leise:
    »Gütiger Gott.«
    »Nun, wir hoffen doch alle, dass er das ist«, und sie lächelte ihm dabei verhalten zu.
    Der Verzweiflung nahe wollte sie ihm sagen »Lass uns hier rausgehen, wir stehen zu eng zusammen, ich kann es nicht ertragen.« Aber sie tat es nicht. Stattdessen schauten sie sich weiter in die Augen. Plötzlich wurde ihr mit absoluter Gewissheit klar, dass er um ihre Gefühle wusste und es seit dem Tag, an dem sie sich zum ersten Mal gesehen hatten, immer schon gewusst hatte.

Die Zeit verging. Keiner von ihnen bewegte sich, doch Tessa wusste, was passieren würde. »Er wird mich küssen«, dachte sie. »Er wird mich küssen… und ich werde nichts dagegen machen können.«
    Doch anstatt sich in ihre Richtung zu bewegen, drehte er sich ganz langsam um und ging aus der engen Abstellkammer hinaus zurück in das Labor.
    Sie folgte ihm, doch als sie den Raum betrat, war er schon fast auf der gegenüberliegenden Seite. Erst da drehte er sich, den Teebecher mit beiden Händen haltend, zu ihr um. Er hob ihn an um zu trinken.
    »Also«, meinte er nach einer Weile, »du lässt Paul los und plötzlich beginnt Frankensteins Monster da draußen angenehme Gedanken zu denken. Erwartest du das?«
    »Im Prinzip ja.«
    »Und das soll klappen?«
    »Ich denke schon. Ich habe einige Simulationen im Computer durchgeführt. Natürlich ist die Lage da draußen nicht genauso, aber ich kann es ja immer wieder versuchen. Ich habe noch weitere Kopien von Paul.«
    »Wann willst du das machen? Ich meine, ihn loslassen?«
    »Sobald ich sicher bin, dass er so weit ist.«
    »Wann wird das sein?«
    »Wenn ich mir sicher bin, dass er in der Lage ist seine Identität zu bewahren und nicht Gefahr läuft von seinem Zwilling absorbiert zu werden.«
    »Fast wie bei David und Goliath, oder? Ich meine da drau
    ßen die Bestie und hier der kleine Paul, der mit seinen Hausaufgaben

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