Der 8. Tag
dass der Wellen-Partikel-Dualismus der Quantenphysik einer vollst ä ndigen Erkl ä rung der Vorg ä nge im menschlichen Gehirn, die das Bewusstsein ausmachen, entgegensteht, sodass diese nie endg ü ltig in mathematischen Begriffen beschrieben werden k ö nnen, w ä hrend es bei mir der Fall ist. Du erinnerst dich an Redway? «
Sie unterdr ü ckte ihre steigende Ungeduld gegen ü ber den verbohrten Selbstzweifeln des Programms. Es dazu zu bri n gen, seine Existenz anzuerkennen, erwies sich als schwerer, als es gewesen war, es von ihrer Existenz zu ü berzeugen. Doch, rief sie sich ins Ged ä chtnis, sie hatte Erfolg dabei gehabt, wa r um sollte es ihr jetzt nicht auch gl ü cken?
» Die Leute berufen sich auf die Quantenmechanik « , sagte sie, » um jede Art von Hokuspokus zu erkl ä ren. Zusammen mit dem Patriotismus ist dies das letzte Freigehege f ü r Halu n ken. «
» Das verstehe ich nicht. «
Sie stellte fest, dass sie wirklich zu m ü de war um weite r zumachen. Als sie auf ihre Uhr schaute, bemerkte sie zu ihrem Entsetzen, dass es drei Uhr morgens war.
» Ein Scherz « , erkl ä rte sie. » Schau bei Samuel Johnson, 1700 irgendwas nach. Ich muss jetzt schlafen. Das ist einer der U n terschiede zwischen uns. Ich kann dich ausschalten oder dich anlassen, damit du nachdenken kannst. Was ist dir lieber? «
Es trat eine Pause ein, dann …
» Ich glaube, ich werde nachdenken. «
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W ENN ICH DAR Ü BER nachdenke, daran zur ü ckdenke, dann glaube ich, sie wollte sterben. «
» Vielleicht war es so? «
» Sonst h ä tte sie doch nicht sofort um Hilfe gerufen. Ich wollte doch nur mit ihr sprechen, ihr Freund sein. Nur ein Freund, nichts weiter. Ich war sechzehn Jahre alt und kein kleines Kind mehr. Doch ganz sicher wollte ich ihr nicht we h tun. Doch sie begann zu schreien und da kam dieser Kerl he r ein und begann auf mich einzuschlagen, also zog ich dieses Messer raus, das ich lediglich zur Selbstverteidigung bei mir hatte, und irgendwie kam sie dann zwischen uns. So ist es passiert. Ein Versehen. Sie hat abbekommen, was f ü r den Kerl gedacht war. Ich wollte sie nicht t ö ten. Sie war meine Mutter. «
» Ich verstehe. «
» Ich haute ab. Nat ü rlich haute ich ab. Ich war in Panik, ich konnte nicht klar denken. Als sie mich aufgriffen, konnte ich mich an nichts mehr erinnern. Ich wei ß , dass mir eine Menge Leute Fragen stellten, zuerst Polizisten, dann Ä rzte. Am Ende steckten sie mich in eine Art Krankenhaus anstatt ins Gef ä n g nis. Ich denke, ich war zu jung um ins Gef ä ngnis zu kommen. Das Krankenhaus war in Ordnung, das Beste daran war, dass ich nach drei Jahren herauskam. Ein paar Jahre stand ich noch unter Aufsicht, danach war ich wieder mein eigener Herr. Damals habe ich mich auch wieder f ü r Computer interessiert. Wenn man alles in Betracht zieht, dann habe ich mich nicht schlecht gehalten. «
» Du hast dich sehr gut gehalten. «
» Verstehst du, sie hatte mich seit der Geburt nicht mehr g e sehen. Mein Gott, seit der Geburt! Sie lie ß mich bei ihren Le u ten und dann: auf Wiedersehen. Doch das nahm ich ihr nie ü bel. Ich konnte mir vorstellen, wie es f ü r sie gewesen sein musste; f ü r eine junge, sch ö ne Frau wie sie. Das letzte, was man da will, ist ein Kind, das einem am Rockzipfel h ä ngt. Ich h ä tte mir nur gew ü nscht, dass sie mich nicht bei ihren Eltern gelassen h ä tte. Ihr Vater und ihre Mutter waren schreckliche Menschen. Mann, wie ich verstehe, dass sie unter allen U m st ä nden da weg wollte. Als ich ä lter geworden bin, haben sie mir gesagt, sie w ä re tot. Erst als ich diese Schachtel mit alten offiziellen Schriftst ü cken auf dem Boden fand, erkannte ich die Wahrheit. Eines war ü ber die Ä nderung ihres Testaments, sodass dieser Fernsehprediger, dem sie verfallen waren, alles erbte statt ihrer. Sie schauten sich diesen Kerl die ganze Zeit an, morgens, mittags, abends. Sie bestellten dauernd Bibeln mit pers ö nlicher Widmung, geweihte Gebetb ü cher und eine ganze Menge anderen Plunder. Und die ganze Zeit lang schickten sie ihm Geld. Ich habe mich gewundert, dass ü be r haupt noch etwas zum Vererben da war, denn mein Gro ß vater war nur ein Fahrkartenverk ä ufer bei der Eisenbahn. Egal, darum ging ’ s nicht. Es ging darum, dass sie bestimmt hatten, dass ihre Tochter bei ihrem Tod nichts bekommen w ü rde. Auch sollte der Sohn ihrer Tochter, das war ich, nichts b e kommen. Sie behaupteten, dass sie ihre Pflicht gegen ü ber Gott schon
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