Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
konnte er mit allerlei Sachen desto besser wuchern.
Ich lernete viel in der Zeit die ich bei ihm war, vornehmlich aber alle Krankheiten kennen, so die größte Kunst an einem Doctor Medicinae ist, denn man sagt, wenn man eine Krankheit recht erkenne, so sei dem Patienten schon halb geholfen. Daß ich nun solche Wissenschaft begriff, daran war mein Wirt Ursach, denn von seiner Person fing ich an, auch auf andere und deren Komplexion zu sehen. Da fand ich manchen todkrank, der seine Krankheit oft selbst nit wußte und auch von andern Menschen, ja von den Doctoribus selbst für einen Gesunden gehalten wurde. Ich fand Leut, die waren vor Zorn krank, und wenn sie diese Krankheit anstieß, so verstellten sie die Gesichter wie die Teufel, brülleten wie die Löwen, kratzten wie die Katzen, schlugen um sich wie die Bären, bissen drein wie die Hund, und damit sie sich ärger stellen möchten als die rasenden Tier, warfen sie auch mit allem das sie in die Hände kriegten um sich wie die Narren. Man sagt, diese Krankheit komme von der Gall her, aber ich glaube, daß sie ihren Ursprung daher habe, wenn ein Narr hoffärtig sei, derhalben wenn du einen Zornigen rasen hörest, sonderlich über ein gering Ding, so halt kecklich dafür, daß er mehr stolz als klug sei. Aus dieser Krankheit folget unzählig viel Unglück, sowohl dem Kranken selbst als andern; dem Kranken zwar endlich die Lähme, Gicht und ein frühzeitiger, wo nicht gar ewiger Tod! und kann man diese Kranken, ob sie schon gefährlich krank sind, mit gutem Gewissen keine Patienten nennen, weil ihnen die Patienz am allermeisten mangelt. Etliche sah ich am Neid daniederliegen, von welchen man sagt, daß sie ihr eigen Herz fressen, weil sie immer so bleich und traurig dahertreten. Diese Krankheit halte ich für die allergefährlichste, weil sie vom Teufel ihren Ursprung hat, wiewohl sie von lauter Glück herrühret, das des Kranken Feind hat; und welcher einen solchen von Grund aus kuriert, der dürfte sich beinahe rühmen, er hätte einen Verlornen zum christlichen Glauben bekehrt, weil diese Krankheit keinen rechtschaffenen Christen anstößt, als die da nur die Sünd und Laster neiden. Die Spielsucht halte ich auch für eine Krankheit, nicht allein weil es der Nam mit sich bringt, sondern weil diejenigen so damit behaftet, ganz giftig darauf verpicht sind. Diese hat ihren Ursprung vom Müßiggang und nicht vom Geiz, wie etliche vermeinen, und wenn du Wollust und Müßiggang hinwegnimmest, vergehet diese Krankheit von sich selbst. So befand ich, daß Fressen und Saufen auch ein Krankheit ist, und daß solche aus der Gewohnheit und nicht aus dem Überfluß herkommt, Armut ist zwar gut dafür, aber sie wird dadurch nicht von Grund aus geheilet, denn ich sah Bettler im Luder und reiche Filz Hunger leiden; sie bringt ihre Arznei auf dem Rücken mit sich, der heißt Mangel, wo nit am Gut, doch an der übrigen Gesundheit des Leibs, also daß endlich diese Kranken gemeiniglich von sich selbst gesund werden müssen, wenn sie nämlich entweder aus Armut oder anderer Krankheit halber nit mehr zehren können. Die Hoffart hielt ich für eine Art der Phantasterei, welche ihren Ursprung aus der Unwissenheit habe, denn wenn sich einer selbst kennet und weiß wo er her ist und endlich hinkommt, so ist unmöglich, daß er mehr so ein hoffärtiger Narr sein kann. Wenn ich einen Pfauen oder welschen Hahn sehe, der sich ausspreitet und so etwas daherkollert, muß ich mich vernarren, daß diese unvernünftigen Tier dem armen Menschen in seiner großen Krankheit so artlich spotten können; ich hab kein sonderliche Arznei dawider finden können, weil diese, so daran krank liegen, ohne die Demut ebensowenig als andere Narren zu kurieren sind. Ich fand auch, daß Lachen eine Krankheit ist, denn Philemon ist ja dran gestorben, und Democritus ist bis an sein End damit infiziert gewesen. So sagen auch noch auf den heutigen Tag unsere Weiber, sie möchten sich zu Tod lachen! Man sagt, es habe seinen Ursprung von der Leber, aber ich glaube ehender, es komme aus übriger Torheit her, sintemal viel Lachen kein Anzeichen eines vernünftigen Manns ist. Es ist unvonnöten, eine Arznei dawider zu verordnen, weil es nicht allein eine lustige Krankheit ist, sondern auch manchem vergehet, ehe ers gern hat. Nicht weniger merkte ich, daß der Vorwitz auch eine Krankheit und sonderlich dem weiblichen Geschlecht schier angeboren sei; ist zwar gering anzusehen, aber in Wahrheit sehr gefährlich, maßen wir noch
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