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Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Titel: Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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hohe Röte, die sie an den Lefzen hat, übertrifft solche Farb weit, und wenn sie lacht oder redt (ich bitte, der Herr geb nur Achtung darauf) so siehet man zwei Reihen Zähn in ihrem Maul stehen, so schön zeilweis und zuckerähnlich, als wenn sie aus einem Stück von einer weißen Rüben geschnitzelt worden wären: O Wunderbild, ich glaub nicht, daß es einem wehe tut, wenn du einen damit beißest. So ist ihr Hals ja schier so weiß, als eine gestandene Saurmilch, und ihre Brüstlein, die darunter liegen, sind von gleicher Farb und ohn Zweifel so hart anzugreifen wie ein Geißmämm, die von übriger Milch strotzt: Sie sind wohl nicht so schlapp, wie die alten Weiber hatten, die mir neulich den Hintern putzten, da ich in Himmel kam. Ach Herr, sehet doch ihre Händ und Finger an, sie sind ja so subtil, so lang, so gelenk, so geschmeidig, und so schicklich gemacht, natürlich wie die Zigeunerinnen neulich hatten, damit sie einem in Schubsack greifen, wenn sie fischen wollen. Aber was soll dieses gegen ihren ganzen Leib selbst zu rechnen sein, den ich zwar nicht bloß sehen kann; ist er nicht so zart, schmal und anmutig, als wenn sie acht ganzer Wochen die schnelle Katharina gehabt hätte?« Hierüber erhob sich ein solch Gelächter, daß man mich nicht mehr hören noch ich mehr reden konnte, ging hiemit durch wie ein Holländer, und ließ mich, so lang mirs gefiel, von andern vexiern.

Das 10. Kapitel
    Redet von lauter Helden und namhaften Künstlern
    Hierauf erfolgte die Mittagsmahlzeit, bei welcher ich mich wieder tapfer gebrauchen ließ, denn ich hatte mir vorgesetzt, alle Torheiten zu bereden und alle Eitelkeiten zu strafen, wozu sich denn mein damaliger Stand trefflich schickte; kein Tischgenoß war mir zu gut, ihm sein Laster zu verweisen und aufzurupfen, und wenn sich einer fand, der sichs nicht gefallen ließ, so wurde er entweder noch dazu von andern ausgelacht oder ihm von meinem Herrn vorgehalten, daß sich kein Weiser über einen Narrn zu erzürnen pflege: Den tollen Fähnrich, welcher mein ärgster Feind war, setzte ich gleich auf den Esel. Der erste aber, der mir auf meines Herrn Winken mit Vernunft begegnete, war der Secretarius, denn als ich denselben einen Titel-Schmied nannte, ihn wegen der eiteln Titel auslachte und fragte, wie man der Menschen ersten Vater tituliert hätte? antwortet' er: »Du redest wie ein unvernünftig Kalb, weil du nicht weißt, daß nach unsern ersten Eltern unterschiedliche Leut gelebt, die durch seltene Tugenden, als Weisheit, männliche Heldentaten und Erfindung guter Künste sich und ihr Geschlecht dermaßen geadelt haben, daß sie auch von andern über alle irdischen Ding, ja gar übers Gestirn zu Göttern erhoben worden; wärest du ein Mensch, oder hättest aufs wenigst wie ein Mensch die Historien gelesen, so verstündest du auch den Unterschied, der sich zwischen den Menschen enthält, und würdest dannenhero einem jeden seinen Ehrentitel gern gönnen, sintemal du aber ein Kalb und keiner menschlichen Ehr würdig noch fähig bist, so redest du auch von der Sach wie ein dummes Kalb und mißgönnest dem edlen menschlichen Geschlecht dasjenige, dessen es sich zu erfreuen hat.« Ich antwortet: »Ich bin so wohl ein Mensch gewesen als du, hab auch ziemlich viel gelesen, kann dahero urteilen, daß du den Handel entweder nicht recht verstehest oder durch dein Interesse abgehalten wirst, anderst zu reden als du weißt: Sag mir, was sind für herrliche Taten begangen und für löbliche Künste erfunden worden, die genugsam seien, ein ganz Geschlechte etlich hundert Jahr nacheinander, auf Absterben der Helden und Künstler selbst, zu adlen? Ist nicht beides der Helden Stärk, und der Künstler Weisheit und hoher Verstand mit hinweggestorben? Wenn du dies nicht verstehest, und der Eltern Qualitäten auf die Kinder erben, so muß ich dafürhalten, dein Vater sei ein Stockfisch und dein Mutter ein Platteis gewesen.« »Ha!« antwort der Secretarius, »wenn es damit wohl ausgericht sein wird, wenn wir einander schänden wollen, so könnte ich dir vorwerfen, daß dein Knan ein grober Spessarter Baur gewesen, und ob es zwar in deiner Heimat und Geschlecht die größten Knollfinken abgibt, daß du dich annoch noch mehr verringert habest, indem du zu einem unvernünftigen Kalb worden bist.« »Da recht«, antwortet ich, »das ists was ich behaupten will, daß nämlich der Eltern Tugenden nicht allweg auf die Kinder erben, und daß dahero die Kinder ihrer Eltern Tugendtitel auch nicht

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