Der Abgrund
aufzuhalten.
Das Zimmer auf der Rückseite des Hauses war leer. Anscheinend war es ursprünglich als zweites Schlafzimmer gedacht gewesen, jedoch niemals benutzt worden. An der Rückwand des kleinen Schranks gab es keine Kratzspuren von Kleiderbügeln, und der Teppich wies keine Abdrücke von Möbeln auf.
Web und Romano wollten gerade gehen, als Web etwas bemerkte. Er sah sich die Fenster des Zimmers an, dann kehrte er durch das Bad ins vordere Schlafzimmer zurück, um auch dort die Fenster zu untersuchen. Sie waren mit Jalousien ausgestattet - nichts Ungewöhnliches, da dieses Fenster zur Straße wies. Dann kehrte Web noch einmal in den hinteren Raum zurück. Auch hier ließen sich die Fenster verdunkeln, aber nicht durch Jalousien, sondern durch altmodische Rollos. Hinter dem Haus lag dichter Wald, sodass ein Sichtschutz für dieses Zimmer eigentlich nicht nötig war. Und da die Fenster nach Norden gingen, musste das Zimmer auch nie gegen direktes Sonnenlicht abgeschirmt werden. Damit waren die Rollos völlig überflüssig, zumal das Zimmer ohnehin nie benutzt worden war. Und da ohnehin kaum Licht in dieses Zimmer fiel und es nicht einmal eine Deckenlampe gab, wäre es hier mit heruntergelassenen Rollos stockfinster. Das war kein besonders sinnvolles Arrangement, aber vielleicht hatte Cove es einfach vom Vorbesitzer des Hauses übernommen und sich nie darum gekümmert, etwas daran zu ändern.
»Welche Botschaft haben deine Antennen empfangen?«, wollte Romano wissen.
»Ich frage mich, nach welchen Kriterien Cove sein Haus eingerichtet hat.«
»Hast du plötzlich deine weibliche Seite entdeckt?«
Web ging nicht darauf ein, sondern trat wieder ans Fenster. Die Rollos waren hochgezogen. Web zog an der Strippe, und das Rollo ließ sich völlig normal herunterziehen. Dann trat er ans andere Fenster. Doch hier tat sich nichts, weil offenbar irgendetwas klemmte. Web überlegte, ob er die Sache einfach vergessen und verschwinden sollte. Dann sah er im Strahl der Taschenlampe, dass die Arretierung des Rollos verbogen war, sodass sich die Strippe nicht mehr lösen ließ. Er bog die Verriegelung wieder in die richtige Position und versuchte es noch einmal. Nun kam das Rollo herunter, und Romano starrte verblüfft auf den Briefumschlag, der ins Rollo eingewickelt gewesen war und ihm nun buchstäblich in die Hände fiel.
»Respekt!«, sagte Romano beeindruckt.
»Lass uns gehen, Paulie.« Web zog die Rollos wieder hoch, dann stiegen sie über die Treppe nach unten. Romano vergewisserte sich, dass draußen die Luft rein war, dann verließen sie das Haus. Web ließ die Tür vorsichtig ins Schloss fallen.
Sie setzten sich in den Wagen, und Web schaltete die Innenbeleuchtung ein, damit sie ihren Fund begutachten konnten.
Er öffnete den Umschlag und zog einen vergilbten Zeitungsausschnitt heraus. Der Artikel aus der Los Angeles Times meldete den Tod der Familie eines Undercover-Agenten, die der Russenmafia zum Opfer gefallen war. Der offizielle FBISprecher verurteilte das Vorgehen der Kriminellen aufs Schärfste und versprach, dass man sie dafür zur Rechenschaft ziehen würde. Es hieß, dass der Sprecher mit den Ermittlungen in diesem Fall betraut war. Er war sogar der direkte Vorgesetzte des Undercover-Agenten, dessen Identität nicht offenbart wurde, obwohl die Namen seiner getöteten Familienangehörigen genannt wurden. Web konnte nur den Kopf schütteln, als er den Namen des FBI-Mannes las.
Percy Bates.
Miller kehrte wenige Minuten später zurück, stieg aus dem Wagen und kam zu ihnen herüber. Er klopfte sich auf den Bauch. »Vielen Dank für die Rettung in letzter Sekunde, Jungs.«
»Kein Problem«, sagte Romano. »Das ist unser Job.«
»Ist was passiert, während ich weg war?«
»Nichts. Alles im grünen Bereich.«
»In etwa zwei Stunden ist meine Schicht zu Ende. Hätten Sie Lust auf ein Bier?«
»Wir...« Web verstummte, weil er sah, wie sich hinter Millers Rücken für einen kurzen Moment das Sonnenlicht auf einer glänzenden Oberfläche spiegelte.
»Web, pass auf!«, rief Romano, der offenbar dieselbe Beobachtung gemacht hatte.
Web griff nach Millers Krawatte und versuchte ihn nach unten zu ziehen. Die Kugel traf Miller genau in den Rücken, trat an der Brust wieder aus, schoss in wenigen Zentimetern Entfernung an Webs Gesicht vorbei und durchschlug die Scheibe auf der Beifahrerseite. Romano hatte im nächsten Moment den Wagen verlassen und war hinter dem vorderen Kotflügel in Deckung gegangen. Er
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