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Der Abgrund

Titel: Der Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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Keiner will sich mehr dafür krumm machen. Oben anfangen. Sie wollen alle direkt oben anfangen. Ich hab mit acht Jahren angefangen, Tütchen zu verkaufen, für 'n paar Dollar das Stück. Hab mir über zwanzig Jahre den Hintern aufgerissen, und diese Brüder heute glauben, sie hätten jeden meiner Cents verdient, nur weil sie diesen Mist seit ein paar Monaten machen. Neue Wirtschaft, für'n Arsch.«
    Hätte Big F in den Klamotten eines Hannibal Lecter in einer Hochsicherheitszelle gesessen und Web sicher auf der anderen Seite des Gitters gestanden, hätte er bestimmt herzlich über diese kapitalistischen Tiraden Big Fs gelacht. Jetzt fragte er sich nur, wann Big F sich der Tatsache widmen würde, dass er Augenzeuge eines Mordes geworden war.
    »Toona muss so um die fünf bis sechs Leute umgelegt haben. Ich habe Ihnen nur die Mühe erspart, seinen Arsch zu grillen. Wollen Sie mir nicht dafür danken?«
    Web dankte ihm nicht. Er sagte gar nichts. Er hätte vielleicht einen schlauen Spruch ablassen können, aber den kaltblütigen Mord an einem Menschen mit ansehen zu müssen, egal, wie sehr der den Tod auch verdient haben mochte, ermunterte ihn nicht gerade zu Witzen.
    »Ich denke, jeder hat so seine Probleme.« Big F wischte sich ein Auge. »Aber irgendwie hat der Herr im Himmel mich da besonders bedacht. Ich hab meine ganze Familie am Hals hängen, und alle wollen nur Geld. Ich hab eine neunzigjährige Großtante, von der ich noch nicht mal wusste, und die kommt daher und labert mich an.« Er sprach mit höherer Stimme. »»Francis, kannst du dich nicht mal um meine Augen kümmern? Ich hab grauen Star, Schätzchen, und kann nicht mehr Bingo spielen. Du hilfst mir doch, oder, Schätzchen? Du hast doch früher auf meinen Knien geritten, und ich hab dir die voll geschissenen Windeln gewechselt.Und es kostet nur tausend Dollar, Francis<, sagt sie, >das war's dann schon, Schätzchen. Erinnere dich doch, wie ich dir die Windeln gewechselt hab, während deine Mama unten am Fluss oder sonst wo war, um sich eine Nadel zu setzen.< Und wissen Sie, was ich tue? Ich mache noch mal zehn Hunderter locker und geb sie ihr und ihrer Katze.«
    »Das F steht für Francis?«
    Big F grinste. Und zum ersten Mal schien es Web, als könne er in diesem riesigen, mörderischen Erwachsenen ein wenig von Kevin erkennen.
    »Ja, was dachten Sie denn, wofür es steht?«
    Web schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung.«
    Big F nahm eine kleine Dose heraus, packte eine Pille aus und steckte sie in den Mund. Er bot auch Web eine an; der lehnte jedoch ab.
    »Tagamet, Pepcid AC, Zantac«, sagte Big F. »Die ess ich wie Erdnüsse. Ich hab mir den Dickdarm operieren lassen, und jetzt sieht mein Bauch aus, als wär ein Maulwurf durchgekrochen. Dieser Mist macht mich echt fertig, ehrlich.«
    »Warum gehen Sie dann nicht in Ruhestand?«
    »Leicht gesagt, aber schwer getan. In meiner Branche schickt man mich nicht mit 'nem goldenen Handschlag in Rente.«
    »Tut mir Leid, Ihnen das sagen zu müssen, aber die Cops werden Sie auch nicht in Ruhe lassen.«
    »Mit den Cops komm ich schon klar. Mir gehen eher 'n paar Leute in der Branche richtig auf die Nerven. Die denken, wenn man aufhört, wird man sie gleich verraten. Die können nicht verstehen, warum man ein Leben wie das meine aufgeben sollte. Mir quillt das Geld aus dem Hintern, aber ich muss es verstecken, und ich muss ständig auf der Hut sein, und man fragt sich immer, wann seine Braut oder sein Bruder oder sogar seine katzenliebende Großtante einem nachts im Schlaf 'ne Kugel in den Kopf jagt.« Er grinste. »Aber machen Sie sich um mich mal keine Sorgen. Ich komme schon klar.« Er warf sich noch eine weitere Pille ein und betrachtete Web eingehend. »Sie sind einer dieser HRT-Typen?«
    »Das bin ich.«
    »Ich hab gehört, euch Typen soll man ernst nehmen. Als Sie mich letzte Nacht getroffen haben, Mann, das hat wehgetan. Das kommt nicht oft vor, kleiner Mann, das kann ich Ihnen sagen. Ihr Kerle müsst echt mies drauf sein.«
    »Eigentlich sind wir richtig nett, wenn man uns erst kennen gelernt hat.«
    Webs Bemerkung entlockte Big F nicht mal ein Lächeln. »Wie kommt es, dass Sie noch am Leben sind?«
    »Schutzengel.«
    Jetzt grinste Big F breit. »Stimmt, das ist gut.

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