Der Abgrund
Warenbestand für höchstens zwei Tage. Er hatte noch etwas von dem Zeug versteckt, das halte ich ihm zugute, aber das ist jetzt auch weg. Und als er Toona erschossen hat, hat er allein deshalb vier weitere Jungs verloren.« Peebles schüttelte den Kopf. »Und was passiert bei alledem, was tut er? Er denkt nur noch an den Jungen. Jede Nacht sucht er nach ihm, macht sich unnötig Leute zu Feinden und vertraut niemandem mehr.«
»Er hat Recht, wenn er niemandem mehr vertraut«, sagte Macy und sah Peebles an. »Besonders dir und mir nicht.«
Peebles ignorierte die Worte. »Er könnte ein Buch über Management-Fehler schreiben. Einfach so einen seiner Männer vor allen anderen umzubringen. Vor einem FBI-Agenten! Der ist wohl lebensmüde.«
»Man muss die Jungs immer im Griff haben«, sagte Macy ruhig. »Man muss sie mit starker Hand führen.« Er sah Peebles mit einem Ausdruck an, der eindeutig verriet, dass er seinem Begleiter diese Eigenschaft absprach, doch Peebles bemerkte es nicht, denn er schwelgte offensichtlich noch in seinem Triumph. »Und man kann ihm wohl kaum vorwerfen, dass er seinen Sohn sucht.«
»Man kann das Geschäftliche nicht mit dem Privaten vermischen«, sagte Peebles. »Er hat sich schon alles selbst versaut, hat seinen Einfluss verspielt, und wofür? Für etwas, das nie geschehen wird. Der glaubt doch selbst nicht, dass er den Jungen je zurückbekommt. Der muss sich doch selbst sagen, der Junge sieht sich jetzt die Radieschen von unten an, wenn überhaupt noch etwas von ihm übrig ist. Ich habe schon neue Nachschubwege aufgebaut, und seine Überläufer machen jetzt bei mir mit.« Er sah Macy an. »Du weißt das wahrscheinlich nicht, aber das ist ein klassisches Machiavelli-Manöver. Und im letzten halben Jahr habe ich die besten Mitglieder der anderen Gangs angeworben. Wir können jetzt loslegen, und diesmal machen wir alles auf meine Weise. Wir ziehen das wie ein richtiges Geschäft auf. Verantwortungsbereiche, Bezahlung nach Leistung, Bonuszahlungen für besondere Verdienste und Belohnungen für Innovationen, die das Betriebsergebnis verbessern. Wir waschen unser Geld selbst und reduzieren die Kosten da, wo es notwendig ist. Nicht jede Gang braucht Klunker und Nutten für fünfhundert Dollar die Nacht. Mir schwebt sogar eine Art Altersversorgung vor, die Jungs sollen damit aufhören, ihr Geld für Autos und Schmuck zu verpulvern, und wenn sie dann zu alt für das Geschäft werden, stehen sie mit leeren Händen da. Und ich werde eine Kleiderordnung für die
Führungsriege einführen, keiner soll mehr so beschissen rumlaufen. Ein Profi muss auch aussehen wie ein Profi. Sieh dich an, du siehst schick aus. Genau so will ich es haben.«
Macy zeigte eines seiner seltenen Lächeln. »Einigen Jungs wird das nicht gefallen.«
»Die müssen irgendwann mal erwachsen werden.« Er sah zu Macy hinüber. »Ich sag dir, es war schon ein irres Gefühl, die Pistole in der Hand zu halten.«
»Hättest du sie erschossen?«
»Spinnst du? Ich wollte ihr doch nur Angst machen.«
»Na ja, wenn man mit Knarren rummacht, wird man sie irgendwann auch benutzen müssen«, sagte Macy.
»Das ist dein Job. Du bist der Sicherheitschef, Mace. Meine rechte Hand. Du hast gezeigt, was in dir steckt, als du mit dem Plan kamst, Kevin zu schnappen. Und du hast die Drecksarbeit erledigt, die anderen Gangs dazu zu bringen, ihre Kräfte zu vereinen. Wir kommen jetzt groß raus, mein Junge; viel weiter, als Francis uns gebracht hätte, und viel schneller. Der ist vom alten Schlag, die neuen Methoden sind besser. Deshalb sind auch die Dinosaurier ausgestorben.«
Sie bogen in eine Seitenstraße, und Peebles sah auf die Uhr. »Okay, ist alles so weit klar?«
»Sie sind alle da, genau, wie du es wolltest.«
»Und die Stimmung?«
»Ganz gut, aber etwas misstrauisch. Du hast sie beunruhigt, aber auch neugierig gemacht.«
»Genau das wollte ich hören. Jetzt stecken wir unser Territorium ab, Mace, und lassen die anderen wissen, dass Francis nicht mehr die Macht hat. Dies ist unsere Zeit. Also los!«
Ihm kam plötzlich ein Gedanke, und er hielt inne. »Verdammt, was hat diese Frau gemeint, jemand hätte Kevin in dieser Gasse gegen einen anderen ausgetauscht?«
Macy zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung.«
»Du hast doch den Jungen, oder?«
»Gesund und wohlbehalten. Für den Augenblick. Willst du ihn sehen?«
»Ich will nicht mal in die Nähe dieses Jungen kommen. Er kennt mich. Wenn irgendwas schief geht und er mit
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