Der Abgrund
knurrte er als Antwort.
»Meinst du, du bringst das gleich noch mal, ehe die Sonne aufgeht?«
Er schlug ein Auge auf. »Verdammt noch mal, Frau, ich bin keine neunzehn mehr und habe einen lahmen Flügel. Wenn du mir was von diesem Viagra-Zeug besorgst, schaffe ich es vielleicht.«
»Ich dachte, bei deiner Arbeit interessierst du dich nicht für Tabletten.«
Er hob leicht den Kopf und sah sie an. »He, hättest du vielleicht Lust, mit mir nach Griechenland zu gehen? Das wäre eine tolle Sache. Wir hätten bestimmt eine Menge Spaß.«
»Das bezweifle ich nicht, aber mein Platz ist bei meinem Mann, ob er sich darüber klar ist oder nicht.«
Er ließ sich wieder zurückfallen. »Tja, ich dachte mir schon, dass du das sagen würdest.«
»Und du willst mich ja nur um meine fünfundzwanzig Prozent bringen.«
»Okay, ich gebe auf.«
»Nemo?«
»Ja?«
»Was meinst du, was mit Ernest B. Free passiert ist?«
Er setzte sich auf, zündete sich mit ihrer Zigarette auch eine an, lehnte sich dann neben ihr zurück und legte einen Arm um sie.
»Das möchte ich auch gern wissen. Ich stehe genau wie du vor einem Rätsel. Ich dachte, er wäre bei dem HRT-Einsatz dabei, aber das war er nicht. Es sei denn, das FBI lügt, aber
warum sollte es? Wenn sie ihn hätten, würden sie es unüberhörbar in die Welt hinausschreien. Und der Kerl, den ich losgeschickt habe, um die >Freien< in die Falle zu locken, hat außerdem Drogen und anderes Zeug dort versteckt, inklusive Material über den Richter und die zwei Anwälte. Er kennt den alten Ernie, und er hätte ihn gesehen und erkannt, wäre er dort gewesen. Selbst wenn sie ihn sofort versteckt hätten.«
Sie fuhr ihm mit den Fingern durchs Haar. »Web und Romano verlassen uns in Kürze.«
»Ja, ich weiß. Gott sei Dank. Bei denen muss man ganz schön auf der Hut sein, wobei es schon ganz toll war, fünfzigtausend gestohlene Pillen am FBI vorbeizuschmuggeln. Aber ich muss eingestehen, irgendwie mag ich diese Typen. Wenn sie wüssten, was wir getan haben, würden sie wahrscheinlich alles dransetzen, uns auf den elektrischen Stuhl zu bringen, aber abgesehen davon hätte ich nichts dagegen, mit ihnen dann und wann mal ein Bierchen zu kippen.«
Strait schaute Gwen von der Seite an, und ihr Gesichtsausdruck erschreckte ihn.
»Ich hasse Web London«, sagte sie.
»Sieh mal, Gwen, ich weiß, was mit deinem Sohn passiert ist... «
Sie explodierte und schlug mit den Fäusten auf die Matratze. »Diese Typen vom FBI - mir wird schon schlecht, wenn ich ihr Gesicht sehe. Sie sind schlimmer als die >Freien<. Sie kommen angerauscht, um die Welt zu retten, und unschuldige Menschen müssen sterben. Sie haben mir geschworen, wenn das HRT zum Einsatz käme, gäbe es keine weiteren Toten mehr. Und dann machten sie Web London zum großen Helden, während mein Sohn tot im Grab liebt. Am liebsten würde ich sie eigenhändig abknallen.«
Strait schluckte krampfhaft bei ihren Worten und ihrem wütenden Tonfall, während sie auf dem Bett kniete und ihr das Haar ins Gesicht fiel. Ihr schlanker, nackter Körper spannte sich, jeder Muskel zeichnete sich unter der Haut ab und ließ sie aussehen wie einen Panther kurz vor dem tödlichen Sprung. Er schaute zur Pistole, die sie auf den Nachttisch gelegt hatte, und war bereit, sie an sich zu bringen, aber sie war schneller. Sie zielte damit auf alles Mögliche im Zimmer, während Strait sie nervös beobachtete. Schließlich richtete die Mündung sich auf Gwen selbst. Sie starrte in den Lauf, als wüsste sie nicht, was sie vor sich hatte. Ihr Finger näherte sich dem Abzug.
»Warum tust du es denn nicht selbst?«, fragte er und behielt die Pistole dabei im Auge. »Ich meine, Web töten. Wie du schon sagtest, Unfälle passieren immer wieder. Vor allem auf Pferdefarmen.«
Gwen ließ sich das durch den Kopf gehen, die Wut stahl sich aus ihrem Gesicht, und am Ende lächelte sie ihn an, während sie die Pistole an ihren Platz zurücklegte.
»Vielleicht tu ich das auch.«
»Mach bloß keinen Fehler und verdirb alles, jetzt wo wir kurz vor dem Ziel stehen.«
Sie verkroch sich unter der Bettdecke, kuschelte sich an ihn, küsste ihn auf die Wange und ließ ihre Hand auf seinem Bauch abwärts gleiten. »Nur noch ein einziges Mal«, sagte sie mit leiser, kehliger Stimme und sah ihm in die Augen. Sie schleuderte die Bettdecke weg, blickt nach unten und lächelte.
»Du meine Güte, wer braucht hier Viagra, Nemo?«
»Frau, du spielst mit mir wie Charlie Daniels auf
Weitere Kostenlose Bücher