Der Abgrund
aber sofort weiter, als sie die Schritte hörten, die durch das Dickicht stürmten.
Sie liefen weiter bis zu einer Stelle, wo der Wald zurückwich und Claire in der Dunkelheit ein Gebäude entdeckte.
»Schnell«, sagte sie zu Kevin. »Dort hinein.«
Sie kletterten auf eine Laderampe und drangen durch ein Loch in der Wand in das Affenhaus ein. Claire und Kevin ließen die Blicke über die Trümmer im Innern des Gebäudes gleiten.
Claire erschauerte, als sie die verrosteten Käfige erblickte. Kevin hielt sich die Nase zu.
»Verdammt, das stinkt hier ja entsetzlich«, sagte er.
Männerstimmen und wildes Hundegebell kamen näher. »Dorthin«, sagte Claire hastig. Sie kletterte auf eine Kiste, hob Kevin hoch und schob ihn in ein Loch in der Wand, in dem sich früher wahrscheinlich ein großer Ventilator befunden hatte.
»Duck dich und verhalte dich ganz still«, befahl sie ihm.
»Wo wollen Sie hin?«
»Nicht weit weg«, antwortete sie. »Aber wenn sie mich schnappen sollten, kommst du auf keinen Fall raus. Egal, was sie mir androhen, bleib in deinem Versteck. Hast du verstanden?«
Kevin nickte langsam. »Claire«, sagte er. Sie drehte sich um. »Bitte seien Sie vorsichtig.«
Sie lächelte matt, drückte seine Hand und kletterte wieder nach unten.
Sie schaute sich kurz um und zwängte sich dann durch einen Spalt in der hinteren Wand nach draußen. Dort war das Gebell der Hunde noch beängstigender. Sie mussten den Tieren etwas mit ihrem und Kevins Geruch gegeben haben. Sie riss ein Stück Stoff von ihrer Kleidung ab, hob einen kleinen Stein auf, wickelte den Stoff darum und schleuderte ihn vom Affenhaus weg, so weit sie konnte. Dann lief sie in die entgegengesetzte Richtung.
Sie erreichte wieder den Wald, rutschte eine Böschung hinab und gelangte auf den Grund einer Senke. Sie versuchte sich zu orientieren und zu entscheiden, aus welcher Richtung die Geräusche der Männer und Hunde zu ihr drangen. Unglücklicherweise konnte sie die Richtung nicht genau bestimmen; die Laute schienen von überall und nirgends her zu kommen. Sie watete durch einen kleinen Bach, stolperte und stürzte auf halbem Weg, so dass sie völlig durchnässt wurde. Sie kämpfte sich weiter und erkletterte am anderen Ufer eine kleine Böschung, dann sah sie vor sich ebenes Gelände.
Claire war so müde, dass sie sich am liebsten hingelegt und gewartet hätte, bis man sie fand. Doch sie gab sich einen Ruck und rannte wieder los. Als sie einen steilen Abhang erreichte, streckte sie sich und griff nach einer jungen Pflanze, um sich daran hochzuziehen. Oben überblickte sie das Gelände. In einiger Entfernung machte sie ein Licht aus, dann ein zweites, dann ein drittes, und zwar jeweils paarweise. Eine Straße. Sie atmete mehrmals tief durch und fiel dann in einen leichten Trab. Ihre Füße waren zerkratzt und bluteten, aber sie ließ sich durch den Schmerz nicht bremsen. Sie musste Hilfe holen. Hilfe für Kevin.
Die Laute der Männer und Hunde waren mittlerweile verstummt, und sie gestattete sich die vage Hoffnung, dass ihre Flucht tatsächlich gelungen war. Sie legte die letzten Meter bis zur Straße auf allen vieren zurück und blieb einen Augenblick lang im Graben hocken. Tränen liefen ihr über das Gesicht, teils vor Erschöpfung, teils vor Angst und vor Freude, es in die Freiheit geschafft zu haben. Sie hörte, wie sich ein Wagen näherte, raffte sich auf und lief auf die Straße, wobei sie wild mit den Armen ruderte und um Hilfe schrie.
Zuerst sah es so aus, als wollte das Fahrzeug nicht anhalten. Und Claire begriff, dass sie aussehen musste wie eine entlaufene Irre. Aber dann bremste das Fahrzeug doch und blieb tatsächlich stehen. Sie lief zur Beifahrertür und riss sie auf.
Als Erstes sah sie Kevin, der neben dem Fahrer saß, geknebelt und an Armen und Beinen gefesselt. Dann sah sie auch den Fahrer - Nemo Strait. Er zielte mit einer Pistole auf sie.
»Hallo, Doc«, sagte er, »kann ich Sie irgendwohin mitnehmen?«
Francis Westbrook streckte seinen langen Körper und fröstelte unwillkürlich. Die Nacht war kühl gewesen, und die Feuchtigkeit schien sich in ihm festgesetzt zu haben. Er zog die Decke fester um sich. Er war nicht daran gewöhnt, unter freiem Himmel zu kampieren, und was er im Augenblick tat, kam dem ziemlich nah, und es machte ihm ganz und gar keinen Spaß.
Er trank einen Schluck Wasser und schob den Kopf aus seinem Versteck heraus. Er schätzte, dass bald die Sonne aufgehen würde. Er hatte nicht sehr gut
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