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Der Abgrund

Titel: Der Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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glaube, ich sollte mich entschuldigen. Ich bin überzeugt, dass Sie Ihre Arbeit häufig als undankbar empfinden.«
    »Ja, in diesem Augenblick empfinde ich sie genau so.«
    »Erzählen Sie mir von Ihrer Familie«, sagte sie nach einer weiteren verlegenen Schweigepause.
    Web lehnte sich zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf, während er wieder in schneller Folge ein- und ausatmete. Vierundsechzig Schläge pro Minute, Web. Das ist alles, was du brauchst, Mann. Vierundsechzig. Das kann doch nicht so schwer sein. Er beugte sich vor. »Klar. Kein Problem. Ich bin ein Einzelkind.
    Ich wurde in Georgia geboren. Wir sind nach Virginia gezogen, als ich um die sechs Jahre alt war.«
    »Und wer ist in diesem Fall wir? Ihre Mutter und Ihr Vater?«
    Web schüttelte den Kopf. »Nein, nur meine Mutter und ich.«
    »Und Ihr Vater?«
    »Er ist nicht mitgekommen. Der Staat hatte ihn für längere Zeit verpflichtet.«
    »War er bei der Armee?«
    »Das nicht. Er saß im Gefängnis.«
    »Was ist aus ihm geworden?«
    »Keine Ahnung.«
    »Hat es Sie nie interessiert?«
    »Wenn, dann hätte ich es bestimmt herausfinden können.«
    »Okay. Sie zogen also nach Virginia. Was geschah dann?«
    »Meine Mutter hat wieder geheiratet.« »Und wie war Ihre Beziehung zu Ihrem Stiefvater?«
    »Gut.«
    Claire sagte nichts, sondern wartete offenbar darauf, dass er mehr erzählte. Als er es nicht tat, sagte sie: »Erzählen Sie mir von Ihrer Beziehung zu Ihrer Mutter.«
    »Wir haben keine Beziehung mehr. Sie ist jetzt seit neun Monaten tot.«
    »Woran ist sie gestorben? Falls Sie mir diese Frage gestatten.«

    »An ALK.«
    Claire sah ihn verständnislos an. »Sie meinen an ALL? An akuter lymphatischer Leukämie?«
    »Nein, ich meine an ALK wie alkoholischer Langzeitkonsum.«
    »Sie sagten, sie hätten sich aus einer Laune beim FBI beworben. Meinen Sie, es könnte mehr dahinter gesteckt haben?«
    Web warf ihr einen kurzen Blick. »Sie meinen, ob ich Bulle geworden bin, weil mein leiblicher Vater ein Gauner war?«
    Claire lächelte. »Sie machen das sehr gut.«
    »Ich weiß nicht, warum ich noch am Leben bin, Claire«, sagte Web leise. »Eigentlich hätte ich gemeinsam mit meinem Team ins Gras beißen müssen. Das macht mich verrückt. Ich will nicht der einzige Überlebende sein.«
    Claires Lächeln verschwand. »Das klingt wichtig. Lassen Sie uns darüber reden.«
    Web rieb die Hände aneinander. Dann stand er auf und schaute aus dem Fenster. »Dieses Gespräch bleibt unter uns?«
    »Ja«, sagte Claire. »Kein Wort wird nach außen dringen.«
    Er setzte sich wieder. »Ich kam in diese Straße. Ich ging mit meiner Gruppe in den Einsatz, wir hatten das Ziel fast erreicht,
    und dann... dann...« Er verstummte.
    »Und dann konnte ich mich nicht mehr von der Stelle rühren, Scheiße! Ich war wie erstarrt. Ich weiß nicht, was auf einmal mit mir los war. Meine Leute gingen in den Hof, und ich konnte ihnen nicht folgen. Als ich mich endlich wieder bewegen konnte, fühlte es sich an, als würde ich tausend Pfund mit mir herumschleppen, als wären meine Füße in einen Betonblock gegossen worden. Dann stürzte ich, weil ich mich nicht mehr auf den Beinen halten konnte. Ich kippte einfach um. Und dann...« Er hielt inne und legte eine Hand ans Gesicht, aber nicht an die verletzte Seite. Er drückte fest zu, als wollte er die Dinge zurückhalten, die aus seinem Kopf kommen wollten. »Und dann ging die Schießerei los. Und ich habe überlebt. Ich habe überlebt, aber sonst keiner aus meinem Team.«
    Der Stift lag reglos in Claires Hand, während sie ihn ansah.
    »Das ist völlig in Ordnung, Web. Sie müssen es rauslassen.«
    »Das war es schon! Was könnte ich dem noch hinzufügen? Ich bin einfach weggetreten! Ich bin ein verdammter Feigling!«
    Sie antwortete ihm in ruhigen und präzisen Worten. »Web, ich verstehe, dass es Ihnen sehr schwer fällt, darüber zu reden, aber ich möchte, dass sie noch einmal genau die Ereignisse durchgehen, bis zu dem Punkt, als Sie >erstarrten<, wie Sie es formulieren. So detailliert, wie Sie sich daran erinnern. Das könnte sehr wichtig sein.«
    Web ging mit ihr die Details durch, angefangen vom Moment, als die Türen des Chevys aufsprangen, bis zum Punkt, als er handlungsunfähig geworden war, als er zusehen musste, wie seine Freunde starben. Anschließend fühlte er sich völlig taub, als hätte er nicht nur seine jämmerliche Geschichte, sondern auch seine Seele weggegeben.
    »Es muss ein lähmendes Gefühl gewesen

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