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Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Titel: Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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wimmelnden Grau eines uralten Reptils. Jäh verstummten die Raben. »Komm her«, wiederholte der König.
    Der Graf von Utanyeat konnte den Blick nicht von dem Schwert losreißen. Der Rest des Raums wurde grau und substanzlos; das Schwert schien, ohne dass Licht darauf fiel, von innen zu glühen, bis die Luft selbst schwer wurde wie Stein. »Wollt Ihr mich jetzt töten, Elias?« Guthwulf fühlte, wie auch seine Worte das Gewicht von Steinen bekamen. Nur mit Mühe brachte er sie heraus. »Wollt Ihr Pryrates die Arbeit abnehmen?«
    »Berühre das Schwert, Guthwulf«, befahl Elias. Seine Augen schienen umso heller zu leuchten, je dunkler der Raum wurde. »Komm zu mir und berühre das Schwert. Dann wirst du begreifen.«
    »Nein«, wehrte Guthwulf schwächlich ab und sah mit Grauen, wie sein Arm sich ausstreckte, als besitze er einen eigenen Willen. »Ich will das verfluchte Ding nicht anfassen …« Schon schwebte seine Hand über der abstoßenden, sacht schillernden Klinge.
    »Das verfluchte Ding?« Elias lachte, und seine Stimme schien von weither zu kommen. Er streckte den Arm aus und nahm die Handseines Freundes, sanft wie ein Liebender. »Du hast ja keine Ahnung. Weißt du, wie man es nennt?«
    Guthwulf sah zu, wie seine Finger sich langsam an die zerkratzte Oberfläche der Klinge pressten. Eine tödliche Kälte kroch ihm den Arm hinauf, unzählige Nadeln aus Eis zerstachen sein Fleisch. Dicht auf die Kälte folgte feurige Schwärze.
    Elias’ Stimme schien in der Ferne zu verhallen.
    »Jingizu ist sein Name«, rief der König. »Sein Name ist Leid …«
    Und inmitten des schrecklichen Nebels, der sich um sein Herz legte, durch die Decke aus Frost, der seine Augen, seine Ohren und seinen Mund verdeckte und dann in sie eindrang, spürte Guthwulf den entsetzlichen Triumphgesang des Schwertes. Es summte durch seinen ganzen Körper, zuerst leise, dann immer lauter, eine furchtbare, mächtige Musik, die sich zuerst den Rhythmen seiner Seele anpasste und sie dann verschlang, bis ihr ganzes Lied in die düster triumphierende Melodie des Schwertes verwandelt worden war.
    Leid sang in ihm, füllte ihn ganz aus. Er hörte es mit seiner Stimme schreien, als ob er zu dem Schwert oder das Schwert auf irgendeine Weise zu Guthwulf geworden wäre. Leid lebte und suchte nach etwas. Auch Guthwulf suchte; er war jetzt ein Teil seiner fremdartigen Melodie. Er und die Klinge waren eins.
    Leid suchte seine Brüder .
    Guthwulf fand sie.
    Zwei schimmernde Klingen, gerade so weit entfernt, dass er sie nicht erreichen konnte. Guthwulf sehnte sich danach, bei ihnen zu sein, mit seiner stolzen Melodie in die Ihrige einzustimmen, damit sie zusammen noch viel herrlichere Töne hervorbrachten. Er sehnte sich nach ihnen, eine blutlose Sehnsucht ohne Wärme, gleich einer zersprungenen Glocke, die mühsam zu läuten versucht, einem Magnetstein, den es zum höchsten Norden zieht. Sie gehörten zusammen, er und diese beiden anderen, drei Lieder, wie die Welt sie nie zuvor gehört hatte – aber jedes war unvollständig ohne die anderen. Er reckte sich nach seinen Brüdern, um sie zu berühren, aber die Entfernung war zu groß. Der Raum trennte sie voneinander. So sehr er sich auch anstrengte, Guthwulf konnte sie weder zu sich holen noch selbst zu ihnen gelangen.
    Endlich brach das schwankende Gleichgewicht zusammen und ließ ihn in unendliches Nichts stürzen, immer tiefer, tiefer, tiefer …
    Langsam kam er wieder zu sich, Guthwulf, ein Mann , vom Weibe geboren, doch immer noch fiel er durch Schwärze. Er war außer sich vor Angst.
    Die Zeit raste. Er fühlte Leichenwürmer, die sein Fleisch verzehrten, fühlte, wie er sich tief in der schwarzen Erde auflöste, sich in unzählige kleine Teilchen verwandelte, die sich qualvoll danach sehnten, laut aufzuschreien, und doch keine Stimme besaßen. Gleichzeitig flog er wie ein brausender Wind lachend an den Sternen vorbei, hinein in die endlosen Weiten zwischen Leben und Tod. Für einen Augenblick sprang die Tür des letzten Geheimnisses vor ihm auf, und in ihr stand ein dunkler Schatten, der ihm winkte …
    Noch lange, nachdem Elias das Schwert wieder in die Scheide zurückgeschoben hatte, lag Guthwulf auf den Stufen des Drachenbeinthrons und rang nach Luft. In seinen Augen brannten Tränen, die Finger waren hilflos gekrümmt.
    »Kannst du nun verstehen?«, fragte der König, strahlend vor Freude, als hätte er seinem Freund gerade einen besonders prächtigen Wein zu kosten gegeben. »Verstehst du, warum

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