Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Titel: Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
Herzen des Waldes, liegt ein Ort, wo Sturm und Kälte nicht eindringen können.«
    Simon glaubte zu verstehen. »Also haltet Ihr den Winter durch einen Zauber fern.«
    Aditu runzelte die Stirn. »Schon wieder dieses Wort! Hier tanzt die Welt ihren wahren Tanz. Es ist wohl eher so, dass etwas, das diese Wahrheit verändern will, ein Zauber ist, ein gefährlicher Zauber.« Sie wandte sich ab und hatte das Thema sichtlich satt. Es war wenig Unaufrichtiges an Aditu, zumindest nicht, wenn es darum ging, mit höflichen Ausreden Zeit zu verschwenden. »Wir sind fast am Ziel, darum brauchen wir jetzt keine Rast mehr. Bist du hungrig oder durstig?«
    Simon merkte plötzlich, dass er vor Hunger schier umkam, als hätte er seit Tagen nichts mehr zu sich genommen. »Ja! Beides.«
    Ohne ein weiteres Wort verschwand Aditu zwischen den Bäumen. Simon blieb allein am Bach zurück. »Warte!«, rief sie ihm zu, und das Echo ihrer Stimme schien von allen Seiten zugleich zu kommen. Schon tauchte sie wieder auf. In jeder Hand trug sie vorsichtig eine rote Kugel. »Kraile«, erläuterte sie. »Sonnenfrüchte. Iss.«
    Die erste Sonnenfrucht war so voll von gelblichem Saft und schmeckte so süß und würzig, dass Simon sofort in die zweite biss. Als er beide verzehrt hatte, waren Hunger und Durst angenehm besänftigt. »Nun komm«, forderte Aditu ihn auf. »Ich möchte bis Mittag am Shao Irigú sein.«
    »Was ist Shao Irigú – und was haben wir heute eigentlich für einen Tag?«
    Aditu verzog genervt das Gesicht, wenn derart überirdische Züge überhaupt einen so gewöhnlichen Ausdruck tragen können. »Shao Irigú ist natürlich das Sommertor. Und was das andere betrifft, so interessiert mich eure Zeitrechnung nicht besonders. Das ist etwas für Personen wie Erste Großmutter. Habt ihr nicht eine Mondspanne, die ihr Ah-ni-tuhl nennt?«
    »Anitul ist ein Monat, ja.«
    »Das ist alles, was ich sagen kann. Nach eurer Berechnung ist es dieser Monat.«
    Jetzt war Simon an der Reihe, sich zu ärgern, denn das hätte er ihr auch sagen können. Allerdings neigten die Monate dazu, sich unbemerkt davonzuschleichen, wenn man sich unterwegs befand. Was er auf indirekte Weise zu erfahren versucht hatte, war eigentlich, wie lange sie bis hierher gebraucht hatten. Natürlich hätte er sie auch direkt danach fragen können, aber er hatte das deutliche Gefühl, dass ihre Antwort ihn nicht befriedigen würde.
    Die Sitha setzte sich in Bewegung. Simon eilte hinterher. Trotz seines Ärgers hoffte er insgeheim, sie würde wieder nach seiner Hand greifen. Aber dieser Teil der Reise schien vorbei zu sein. Aditu suchte sich ihren Weg hangabwärts am Fluss, ohne sich auch nur nach Simon umzublicken.
    Fast taub von den fröhlichen Misstönen der Vögel in den Baumwipfeln und verwirrt von allem, was er erlebt hatte, wollte Simon gerade den Mund öffnen und sich über Aditus ausweichende Antwortenbeschweren, als er plötzlich voller Scham über die eigene Kurzsichtigkeit stehen blieb. Ruckartig fielen Müdigkeit und Gereiztheit von ihm ab, als hätte er eine dicke Schneedecke von sich geworfen, die er aus dem Winter mitgeschleppt hatte. Es war doch eine Art wilder Zauber, ganz gleich, was Aditu sagte! Einem tödlichen Sturm ausgesetzt gewesen zu sein – einem Sturm, der seines Wissens schon die ganze nördliche Welt erfasst hatte – und dann einem Lied zu folgen, das ihn in Sonnenschein und klaren Himmel hineinführte! Das konnte sich mit allem messen, was Simon je in einer von Shem Pferdeknechts Geschichten gehört hatte. Ein Abenteuer, wie nicht einmal Hans Mundwald es erlebt hatte. Simon der Küchenjunge war auf dem Weg ins Reich des Schönen Volks!
    Kichernd rannte er hinter Aditu her, die sich neugierig nach ihm umschaute.
    So wie sich im Lauf ihrer seltsamen Reise das Wetter verändert hatte, verwandelte sich auch der Pflanzenwuchs. Die Immergrünbäume und niedrigen Büsche, unter denen Simon eingeschneit war, hatten Eichen, Buchen und Weißeschen Platz gemacht. Ihre ineinandergewachsenen Äste waren durch blühende Ranken verbunden, die einen kunstvollen Baldachin bildeten, so farbenreich wie eine Decke aus Buntglas. Farne und Waldsauerampfer breiteten ihre Decke über Steine und umgestürzte Stämme und bedeckten den Boden des Aldheorte mit einem buckligen grünen Teppich. An schattigen Stellen versteckten sich Pilze wie fahnenflüchtige Soldaten, während sich anderswo bleiche Schwämme von eigenartiger Schönheit an Bäumen emporwanden und wie

Weitere Kostenlose Bücher