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Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Titel: Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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gebracht. Der Sommer will nicht kommen, und viele werden sterben. Qangolik nennt Binabik Eidbrecher.«
    Überall in der Höhle wurden zornige Stimmen laut. Der Geisterrufer hatte sich längst wieder niedergehockt, als Binabik mit der Übertragung seiner Worte in die Westerlingsprache fertig war.
    Nunuuika blickte sich mit ritueller Bedächtigkeit nach allen Seiten um. »Ist noch jemand hier, der Binbineqegabenik anklagt?«
    Die unbekannte junge Frau, die Simon vor der wilden Wut in Qangoliks Worten beinahe vergessen hatte, erhob sich langsam von ihrem Sitz auf der obersten Stufe. Sie hielt ihre Augen schüchtern gesenkt, ihre Stimme klang ruhig. Sie sprach nur kurz.
    Binabik erläuterte nicht sofort, was sie gesagt hatte, obwohl es unter den versammelten Trollen großes Raunen und Getuschel hervorrief. Sein Gesicht hatte einen Ausdruck angenommen, wie Simon ihn noch nie zuvor bei seinem Freund bemerkt hatte: unendliches, tiefes Unglück. Mit grimmiger Starrheit betrachtete Binabik die junge Frau, als beobachte er ein schreckliches Ereignis, an das sich genau zu erinnern dennoch seine Pflicht sei.
    Gerade als Simon dachte, Binabik sei von neuem verstummt, diesmal vielleicht für immer, sprach der Troll – so ausdruckslos, als erzähle er von einer alten, inzwischen längst geheilten Wunde.
    »Sisqinanamook, jüngste Tochter der Jägerin Nunuuika und desHirten Uammannaq, klagt Binabik vom Mintahoq ebenfalls an. Obwohl er seinen Speer vor ihrer Tür aufrichtete und neun mal neun Tage danach vergingen, war er, als der zur Hochzeit bestimmte Tag anbrach, verschwunden. Weder Botschaft sandte er noch Erklärung. Und als er zurückkehrte in unsere Berge, kam er nicht zu den Wohnungen seines Volkes, sondern wanderte mit Crohuck und Utku zu dem von allen gemiedenen Gipfel Yijarjuk. Er hat Schande gebracht über das Haus des Ahnen und über seine einstige Verlobte. Sisqinanamook nennt ihn Eidbrecher.«
    Wie vom Donner gerührt starrte Simon auf Binabiks niedergeschlagenes Gesicht, als der Troll seine Übersetzung herunterleierte. Heirat! Die ganze Zeit, während Simon und der kleine Mann sich nach Naglimund durchgeschlagen und sich ihren Weg durch die Weiße Wüste gesucht hatten, hatte Binabiks Volk darauf gewartet, dass er sein Heiratsversprechen erfüllte. Und mit einem Kind des Hirten und der Jägerin war er verlobt gewesen ! Nie hatte er auch nur das Geringste davon angedeutet!
    Simon warf einen genaueren Blick auf Binabiks Anklägerin. Sisqinanamook, wenn auch für Simon so klein wie alle anderen ihres Volkes, schien in Wirklichkeit ein kleines Stückchen größer zu sein als Binabik. Ihr glänzend schwarzes Haar war zu beiden Seiten des Gesichtes geflochten; unter dem Kinn vereinigten sich die beiden Flechten zu einem breiten Zopf, in den ein himmelblaues Band eingeknüpft war. Sie trug, vor allem im Vergleich zu ihrer ehrfurchtgebietenden Mutter, der Jägerin, nur wenig Schmuck. Ein einziger, tiefblauer Edelstein funkelte auf ihrer Stirn, gehalten von einem schmalen schwarzen Lederband.
    Die braunen Wangen waren leicht gerötet. Obwohl ihr Blick, sei es vor Zorn, sei es vor Furcht, getrübt war, ließ ihr erhobenes Kinn auf Willensstärke und Trotz schließen. Außerdem hatte sie einen scharfen Blick – nicht das Auge ihrer Mutter Nunuuika, schneidend wie eine Klinge, sondern den Blick eines Menschen, der weiß, was er will. Einen Moment lang kam es Simon so vor, als könne er sie sehen wie ein Mann ihres eigenen Volkes – sie war keine sanfte, anschmiegsame Schönheit, sondern eine ansehnliche und kluge junge Frau, deren Bewunderung nicht leicht zu erringen sein würde.
    Unvermittelt wurde ihm klar, dass sie es war, die in der letzten Nacht vor Qantaqas Höhle gestanden und ihn mit dem Speer bedroht hatte. Irgendetwas in ihren Gesichtszügen verriet es ihm. Als er sich daran erinnerte, begriff er, dass sie eine Jägerin war, so wie ihre Mutter.
    Armer Binabik! Vermutlich war es nicht leicht gewesen, ihre Bewunderung zu erlangen, aber Simons Freund hatte sie trotzdem für sich gewonnen, zumindest schien es so. Allerdings richteten sich Intelligenz und Entschlossenheit, die Binabik so gefallen haben mussten, nunmehr gegen ihn.
    »Ich habe keinen Streit mit Sisqinanamook, Tochter vom Hause des Mondes«, antwortete Binabik endlich. »Dass sie überhaupt den Speer eines so Unwürdigen, wie es der Schüler des Singenden Mannes war, annahm, war ein Wunder für mich.«
    Bei diesen Worten verzog Sisqinanamook wie angewidert

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