Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
meiner Tür. Anstatt gegen sie anzukämpfen, werde ich fliehen, um ein andermal den Kampf fortzusetzen.
Was ich dir sagen muss, ist Folgendes: Naglimund ist gefallen. Elias hat die Schlacht gewonnen – aber der wirkliche Sieger ist Er, den wir beide kennen, der Dunkle aus dem Norden. Doch Josua lebt.«
Simon spürte, wie sich sein Magen zusammenkrampfte. »Und Miriamel!«
»Sie, die Marya war – und auch Malachias? Ich weiß nur, dass sie Naglimund verlassen hat; mehr konnten mir freundliche Augen und Ohren nicht sagen. Jetzt aber muss ich dir noch etwas mitteilen, das du in deinem Gedächtnis bewahren musst und nicht vergessen darfst; denn Binabik von Yiqanuc hat sich vor mir verschlossen. Ihr müsst zum Stein des Abschieds gehen. Er ist der einzig sichere Ort im heraufziehenden Sturm, zumindest für eine kleine Weile. Geht zum Stein des Abschieds .«
»Was? Wo ist dieser Stein?« Naglimund gefallen? Simon fühlte, wie Verzweiflung sein Herz ergriff. Dann war wirklich alles verloren. » Wo ist der Stein, Geloë?«
Ohne Warnung riss ihn eine schwarze Woge mit, jäh wie die Hand eines um sich schlagenden Riesen. Das Gesicht des kleinenMädchens war fort, zurück blieb nur graue Leere. In Simons Kopf klangen Geloës Abschiedsworte nach.
»Es ist der einzig sichere Ort … Flieht! … Der Sturm bricht los!«
Das Grau wich zurück wie eine Welle am Strand. Als er zu sich kam, starrte er in das schimmernde, durchsichtig gelbe Licht eines Teichs aus brennendem Öl. Er lag in der Höhle des Chidsik Ub Lingit auf den Knien. Dicht über ihn neigte sich Haestans besorgtes Gesicht.
»Was hast du, Junge?«, fragte der Wachsoldat und stützte mit der Schulter Simons schweren Kopf, während er ihm auf einen Hocker half. Simon war es zumute, als bestehe sein Körper aus Lumpen und grünen Zweigen.
»Geloë hat gesagt … sie sprach von einem Sturm … und dem Stein des Abschieds. Wir müssen zum Stein des Ab …« Simon verstummte, und als er aufblickte, sah er Binabik vor dem Podest knien. »Was tut Binabik dort?«, fragte er.
»Wartet auf den Spruch«, erwiderte Haestan barsch. »Als du ohnmächtig umfielst, hat er gesagt, er wolle nicht länger kämpfen. Hat eine Zeitlang mit König und Königin geredet, und jetzt wartet er.«
»Aber das ist Unrecht!« Simon wollte aufstehen, aber seine Beine gaben unter ihm nach. Sein Kopf summte wie ein Eisentopf nach einem Hammerschlag. »Un … recht.«
»Gottes Wille ist es«, murmelte Haestan unglücklich.
Nach einer geflüsterten Zwiesprache mit seiner Gemahlin wandte Uammannaq sich ab und musterte den knienden Binabik. Er sagte etwas in der kehligen Sprache der Qanuc, das die Zuschauer zu pfeifendem Klagen veranlasste. Der Hirte hob die Hände an das Gesicht und bedeckte in einer stilisierten Geste langsam seine Augen. Die Jägerin wiederholte feierlich dieselbe Bewegung. Simon fühlte, wie sich eine Kälte niedersenkte, die schwerer und hoffnungsloser war als die des Winters. Zweifelsohne hatte man seinen Freund zum Tode verurteilt.
4
Eine Schale Calamint-Tee
onnenlicht sickerte durch aufgeplusterte Wolken und fiel gedämpft auf eine große Schar von Rossen und Gepanzerten, die die Mittelgasse hinauf und zum Hochhorst zogen. Schatten legten sich in unregelmäßigen Abständen auf ihre Banner, und der Schlamm der Straße erstickte das Klappern der Pferdehufe, als ritte das tapfere Heer lautlos am Grunde des Meeres. Viele der Soldaten hielten den Blick gesenkt. Andere spähten aus dem Schatten ihrer Helme hervor wie Männer, die sich davor fürchten, dass man sie erkennt.
Allerdings machten nicht alle einen so niedergeschlagenen Eindruck. Graf Fengbald – demnächst Herzog – ritt an der Spitze der königlichen Schar. Über ihm wehten Elias’ grünschwarzes Drachenbanner und sein eigener Silberfalke. Das lange, schwarze Haar, zusammengehalten nur von einem scharlachroten Band, das er sich um die Stirn geknotet hatte, flutete Fengbald über den Rücken. Er lächelte und winkte mit der im Streithandschuh steckenden Faust, was die mehreren Hundert Zuschauer, die die Straße säumten, in Hochrufe ausbrechen ließ.
Dicht hinter ihm folgte Guthwulf von Utanyeat, der mühsam einen finsteren Blick unterdrückte. Auch er besaß einen Grafentitel und vermutlich auch die königliche Gunst; aber er wusste mit völliger Sicherheit, dass sich seit der Belagerung von Naglimund alles geändert hatte.
Immer hatte er sich den Tag ausgemalt, an dem sein alter Kamerad Elias als
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