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Der Adler ist entkommen

Der Adler ist entkommen

Titel: Der Adler ist entkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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Polizei.
      Wirklich erstaunlich aber war, daß Walter Schellenberg sich nicht als Nazi betrachtete und das Dritte Reich für ein armseliges Schmierentheater mit Darstellern der billigsten Sorte hielt. Es gab viele Juden, die ihm ihr Leben verdankten, die mit seiner Hilfe nach Schweden in Sicherheit gebracht worden waren. Es war ein gefährliches Spiel und, wie er sich eingestand, eine Beruhigung für sein Gewissen. Natürlich hatte er Feinde. Überlebt hatte er bis jetzt nur aus einem einzigen Grund. Himmler brauchte seine Intelligenz und seine beachtlichen Talente, und noch reichte das aus.
      Der Burggraben war ohne Wasser und wies nur eine leichte Schneedecke wie aus Puderzucker aus. Während der Mercedes langsam über die Brücke zum Tor rollte, lehnte Schellenberg sich zurück und murmelte: »Zu spät, Walter, um jetzt noch vom fahrenden Karussell abzuspringen, viel zu spät.«
      Himmler erwartete ihn in seinem privaten Wohnzimmer im Südflügel. Schellenberg wurde von einem Unteroffizier der SS dorthin geleitet und traf auf Himmlers persönlichen Adjutanten, einen Sturmbannführer namens Rossmann, der an einem Tisch vor der Tür saß.
      »Major.« Schellenberg nickte grüßend.
      Rossmann ließ den Unteroffizier abtreten. »Freut mich, Sie zu sehen, Herr General. Er wartet schon. Übrigens, seine Laune ist nicht die beste.«
      »Vielen Dank für die Vorwarnung.«
      Rossmann öffnete die Tür, und Schellenberg betrat ein geräumiges Zimmer mit einer gewölbten Decke und Steinfußboden. An den Wänden hingen Gobelins, darunter standen Eichenmöbel. Ein Holzfeuer brannte in einem großen steinernen Kamin. Der Reichsführer saß hinter einem Eichentisch und arbeitete sich durch einen Stapel Schriftstücke und Akten. Er trug keine Uniform, was für ihn ungewöhnlich war, sondern einen Tweedanzug, ein weißes Hemd und eine schwarze Krawatte. Der silberne Kneifer auf seiner Nase verlieh ihm den Anstrich eines ziemlich ungemütlichen Schulmeisters.
      Im Gegensatz zu Heydrich, der Schellenberg immer mit seinem Vornamen angesprochen hatte, verhielt Himmler sich stets gleichbleibend formell. »General Schellenberg.« Er blickte auf. »Da sind Sie ja endlich.«
      Es war ein kaum verhüllter Vorwurf. »Ich bin sofort von Berlin aufgebrochen, als ich Ihre Nachricht erhielt, Reichsführer«, erwiderte Schellenberg. »In welcher Weise kann ich Ihnen dienlich sein?«
      »Operation Adler, Churchill-Affäre. Ich habe Sie an dieser Sache nicht beteiligt, weil Sie andere Aufgaben wahrzunehmen hatten. Mittlerweile dürften Sie jedoch mit den meisten Details vertraut sein.«
      »Natürlich, mein Reichsführer.«
      Himmler wechselte abrupt das Thema. »Schellenberg, ich mache mir zunehmend Sorgen über die verräterischen Aktivitäten verschiedener Mitglieder des Oberkommandos. Wie Sie wohl wissen, wurde letzte Woche irgendein bedauernswerter junger Major vor dem Eingang zum Führerhauptquartier in Rastenburg mit seinem Wagen in die Luft gesprengt. Offenbar ein weiterer Attentatsversuch auf den Führer.«
      »Das ist zu befürchten, mein Reichsführer.«
      Himmler stand auf und legte eine Hand auf Schellenbergs Schulter. »Sie und ich, General, gehören einer verschworenen Gemeinschaft an, der SS. Wir haben gelobt, den Führer zu beschützen, und sehen uns dennoch ständig der Gefahr einer Verschwörung von Generälen der Wehrmacht gegenüber.«
      »Dafür gibt es keine schlüssigen Beweise«, betonte Schellenberg, was nicht ganz der Wahrheit entsprach.
      »General von Stülpnagel, von Falkenhausen, Stieff, Wagner und andere, sogar Ihr guter Freund Admiral Canaris«, zählte
    Himmler auf. »Überrascht Sie das?«
      Schellenberg bemühte sich, ruhig und gelassen zu erscheinen angesichts der Möglichkeit, daß als nächstes sein Name fiel. »Was soll ich dazu sagen, mein Reichsführer?«
      »Sogar Rommel, General, der Wüstenfuchs persönlich. Der Held des Volkes.«
      »Mein Gott!« stieß Schellenberg angemessen hervor.
      »Beweise.« Himmler schnaubte. »Ich werde meine Beweise schon noch kriegen. Dann haben diese Verräter ein Rendezvous mit dem Henker, und zwar einer nach dem anderen. Aber wechseln wir das Thema.« Er kehrte hinter seinen Tisch zurück und setzte sich. »Hatten Sie jemals etwas mit einem Agenten namens Vargas zu tun?« Er warf einen prüfenden Blick auf ein Schriftstück, das vor ihm lag. »José Vargas.«
      »Ich habe von ihm gehört. Ein Kontaktmann der

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