Der Adler ist entkommen
berüchtigsten Scharfschützen der IRA. Das, meine Herren, sollten Sie sich vor Augen halten.«
Die Bemerkung, das begriff Berger auf Anhieb, war auf ihn gemünzt. Er lächelte schwach. »Das werden wir, Herr General.« Damit verließ er die Terrasse, gefolgt von Eggar.
»Ein übler Bursche. Scheint dich nicht zu mögen. Dennoch …« Der Baron sah auf seine Uhr. »Kurz nach fünf, Walter. Wie wäre es mit einem Glas Champagner?«
Major Arthur Frear war fünfundvierzig, sah aber mit seinem weißen Haar wesentlich älter aus. Er hätte sich längst zur Ruhe setzen und mit einer bescheidenen Pension ein Leben in gemäßigter Armut in Brighton oder Torquay führen können. Statt dessen war er dank Adolf Hitler als Militärattache in der Britischen Botschaft in Lissabon tätig, wo er die Funktion eines inoffiziellen Vertreters des SOE wahrnahm.
Das Estrela de Lisboa am südlichen Rand des AlfamaViertels war eines seiner bevorzugten Etablissements. Wie angenehm, daß Devlin dort als Pianist auftrat, obgleich im Augenblick von ihm nichts zu sehen war. Devlin allerdings beobachtete ihn durch den Perlenvorhang im hinteren Teil der Bar genau. Er trug einen fast weißen Leinenanzug. Dunkles Haar fiel ihm in die Stirn, und seine lebhaften blauen Augen funkelten belustigt, während er Frear eingehend betrachtete. Frear bemerkte ihn erst, als Devlin sich auf den Barhocker neben ihm schob und ein Bier bestellte.
»Mr. Frear, nicht wahr?« Er nickte dem Barkeeper zu. »José erzählte mir, Sie seien im Portweingeschäft?«
»Stimmt«, erwiderte Frear aufgeräumt. »Ich, das heißt, meine Firma, exportiert ihn schon seit Jahren nach England.«
»Mir hat er noch nie so richtig geschmeckt«, gestand Devlin. »Na ja, wenn Sie mit irischem Whiskey zu tun hätten …«
»Ich fürchte, in dieser Hinsicht kann ich nicht dienen.« Frear lachte wieder. »Aber sagen Sie mal, alter Junge, wissen Sie, daß Sie einen Schlips der Guards Brigade tragen?«
»Tatsächlich? Finde ich toll, daß Sie das erkannt haben.« Devlin lächelte freundlich. »Dabei habe ich das Ding erst letzte Woche auf dem Flohmarkt gekauft.«
Er rutschte vom Hocker herunter, und Frear fragte: »Wollen Sie uns nicht etwas vorspielen?«
»Ach, das kommt später.« Devlin ging zur Tür und grinste, »Major«, fügte er noch hinzu und verschwand.
Das Flamingo war eine schäbige kleine Bar mit Restaurant. Major Berger war gezwungen, alles weitere Eggar zu überlassen, der die Landessprache fließend beherrschte. Zuerst zogen sie eine Niete. Ja, Devlin habe eine Weile hier gearbeitet, aber vor drei Tagen sei er verschwunden. Dann hörte eine Frau, die hereingekommen war, um den Gästen Blumen zu verkaufen, einen Teil ihrer Unterhaltung mit und mischte sich ein. Der Ire arbeite jetzt in einem anderen Etablissement, im Estrela de Lisboa, allerdings sei er dort nicht als Kellner, sondern als Pianist in der Bar angestellt. Eggar gab ihr ein Trinkgeld, und sie gingen hinaus.
»Kennen Sie das Lokal?« fragte Berger.
»O ja, sogar ganz gut. Es liegt ebenfalls im alten Teil der Stadt. Ich sollte Sie warnen, die Leute dort können ziemlich ungemütlich werden. Das findet man hier öfter.«
»Mit dem Abschaum des Volkes habe ich eigentlich noch nie Probleme gehabt«, sagte Berger. »Und jetzt führen Sie mich endlich hin.«
Die hohen Mauern des Castelo de Sao Jorge ragten in den Abendhimmel, als sie sich ihren Weg durch das Labyrinth der engen Gassen suchten. Während sie einen kleinen Platz vor einer Kirche überquerten, tauchte plötzlich Devlin aus einer Seitengasse auf und eilte über das Pflaster auf ein Cafe zu.
»Mein Gott, das ist er«, murmelte Eggar. »Genau wie auf dem Foto.«
»Natürlich ist er es, Sie Idiot«, sagte Berger. »Ist das dort das Estrela de Lisboa?«
»Nein, Herr Major, das ist ein anderes Cafe. Eins der berüchtigsten in Alfama. Die Gäste sind ausschließlich Zigeuner, Stierkämpfer und Berufsverbrecher.«
»Dann ist es ja günstig, daß wir bewaffnet sind. Wenn wir reingehen, dann sorgen Sie dafür, daß Ihre Pistole in der rechten Jackentasche steckt und Ihre rechte Hand ebenfalls.«
»Aber General Schellenberg hat uns ausdrücklichen Befehl gegeben…«
»Widersprechen Sie nicht. Ich habe keine Lust, den Mann jetzt noch zu verlieren. Tun Sie, was ich sage, und folgen Sie mir.« Berger ging auf das Cafe zu, aus dem Gitarrenmusik nach draußen
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