Der Adler ist entkommen
spielte um seine Lippen, eine Art von Selbstzufriedenheit, die Munro schon bei vielen Soldaten der fliegenden Truppe aufgefallen war.
»Sie wurden nicht nur wegen Ihres doch recht lange andauernden schlechten Zustands keinen weiteren Verhören unterzogen«, sagte Munro, »sondern weil wir über die Operation Adler alles wissen, was es überhaupt zu wissen gibt.«
»Tatsächlich?« fragte Steiner trocken.
»Ja. Ich arbeite beim Special Operations Executive, Oberst. Bescheid zu wissen ist unsere vordringlichste Aufgabe. Es wird Sie sicherlich überraschen, daß der Mann, denn Sie seinerzeit im Meltham House erschießen wollten, nicht Mr. Churchill war.«
Steiner schüttelte ungläubig den Kopf. »Was versuchen Sie mir da weiszumachen? Was soll dieser Unsinn?«
»Das ist kein Unsinn«, sagte Jack Carter. »Es handelte sich um einen gewissen George Howard Fester, der in den Kabaretts unter dem Namen ›Der große Posten‹ auftritt. Ein recht guter Imitator.«
Steiner lachte hilflos. »Das ist ja wundervoll. Was für eine Ironie. Begreifen Sie nicht? Wenn alles geklappt hätte und wir mit ihm zurückgekommen wären? Mein Gott, ein Kabarettclown. Das Gesicht von diesem Schwein Himmler hätte ich sehen wollen.« Erschrocken, daß er sich vielleicht zu sehr hatte hinreißen lassen, holte er tief Luft und sammelte sich. »Also?«
»Ihr Freund, Liam Devlin, wurde verwundet, blieb aber am Leben«, sagte Carter. »Er verschwand aus einem Krankenhaus in Holland und schlug sich nach Lissabon durch. Soweit wir wissen, ist Ihr Stellvertreter, Neumann, noch am Leben und befindet sich im Krankenhaus.«
»Was Oberst Max Radl betrifft, Ihren Organisator«, ergriff Munro wieder das Wort, »der erlitt einen Herzinfarkt.«
»Demnach sind von uns nicht viele übriggeblieben«, meinte Steiner gleichmütig.
»Eines habe ich nie verstanden, Herr Oberst«, sagte Carter, »Sie sind kein Nazi, das wissen wir. Sie haben Ihre Karriere ruiniert, weil Sie einem jüdischen Mädchen in Warschau helfen wollten, und in jener Nacht in Norfolk haben Sie trotzdem versucht, Churchill zu erwischen.«
»Ich bin Soldat, Captain, das Spiel war am Laufen, und ein Spiel ist es ja wirklich, meinen Sie nicht?«
»Aber am Ende hat das Spiel Ihnen kein Glück gebracht«, meinte Munro scharfsinnig.
»So könnte man sagen.«
»Hing es vielleicht nicht damit zusammen, daß Ihr Vater, General Karl Steiner, im Gestapo-Hauptquartier in der PrinzAlbrecht-Straße in Berlin festgehalten wurde, weil er angeblich an einer Verschwörung gegen den Führer beteiligt war?« fragte Carter.
Steiners Gesicht verdüsterte sich. »Captain Carter, Reichsführer Himmler wird alles mögliche nachgesagt, aber Nachsicht und Mitgefühl gehören nicht dazu.«
»Hinter der ganzen Aktion stand Himmler«, klärte Munro ihn auf. »Er hat Max Radl zur Mitarbeit gezwungen, und zwar ohne Wissen von Admiral Canaris. Nicht einmal der Führer hatte eine Ahnung, was da im Gange war. Und er weiß noch immer nichts.«
»Jetzt überrascht mich gar nichts mehr«, sagte Steiner, stand auf und machte ein paar Schritte. Dann drehte er sich zu seinen Besuchern um. »Also, Gentlemen, um was geht es überhaupt?«
»Sie wollen Sie zurückhaben«, teilte Munro ihm mit.
Steiner starrte ihn entgeistert an. »Sie machen Witze. Warum sollten sie?«
»Ich weiß nur, daß Himmler alles daransetzt, Sie hier
herauszuholen.«
Steiner setzte sich wieder. »Aber das ist doch Unsinn. Mit allem gebührenden Respekt vor meinen Landsleuten. Aber daß deutsche Kriegsgefangene aus England geflohen sind, das hat es noch nie gegeben, nicht seit dem Ersten Weltkrieg.«
»Doch, einen Fall gab es«, korrigierte ihn Carter. »Einen Luftwaffenpiloten, doch selbst der schaffte es nur über Kanada und die Vereinigten Staaten. Das war jedoch, bevor diese in den Krieg eintraten.«
»Sie verstehen nicht richtig«, sagte Munro. »Wir reden hier nicht von einem Gefangenen, der einfach die Gelegenheit nutzt und wegläuft. Es geht um eine großangelegte Befreiungsaktion. Eine sorgfältig konstruierte, umsichtig eingefädelte Operation, geplant und geleitet von General Walter Schellenberg vom SD. Kennen Sie ihn?«
»Nicht persönlich, aber ich habe schon von ihm gehört«, erwiderte Steiner automatisch.
»Natürlich braucht man den richtigen Mann, um die ganze Sache durchzuziehen, und an dieser Stelle tritt Liam Devlin auf
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