Der Adler ist gelandet
grinste. »Go raibh maith agat«, sagte er. »Danke.« Er hob die Reisetasche auf, schwang sich über die Mauer und marschierte quer über die Wiese davon. Er pfiff leise vor sich hin. Es war schön, wieder zu Hause zu sein, wenn auch nur für kurze Zeit.
Die Grenze nach Ulster war damals wie heute weit offen für jeden, der sich in der Gegend auskannte. Zweieinhalb Stunden zügiges Marschieren über Landstraßen und Feldwege, und er war in der Grafschaft Armagh und somit auf britischem Boden. Ein Milchfuhrwerk nahm ihn bis in die Stadt Armagh mit, wo er um sechs Uhr eintraf. Eine halbe Stunde später saß er in einem Abteil dritter Klasse des Frühzugs nach Belfast.
Sechs
Am Mittwoch regnete es ununterbrochen, und nachmittags trieb Nebel von der Nordsee her über die Marschen bei Blay und Hobs End und Blakeney.
Trotz des Wetters ging Joanna Grey nach dem Lunch hinaus in den Garten. Als sie gerade im Gemüsefeld neben dem Obstgarten Kartoffeln ausgrub, quietschte das Gartentor. Patch jaulte auf und schoß wie der Blitz den Weg entlang. Als Joanna sich umdrehte, sah sie einen kaum mittelgroßen, blassen Mann in einem schwarzen Regenmantel und einer Tweedmütze am Eingang stehen. Er trug eine Reisetasche in der linken Hand und hatte unwahrscheinlich blaue Augen.
»Mrs. Grey?« fragte er mit einer sanften irischen Stimme. »Mrs. Joanna Grey?«
»Ja, die bin ich.« Ihr Magen verkrampfte sich vor Aufregung. Sekundenlang konnte sie kaum atmen.
Der Mann lächelte. »Ich will ein Licht des Verstehens anzünden in den Herzen, das nie erlischt.« »Magna est veritas et praevalet.«
»Groß ist die Wahrheit und sie siegt immer.« Liam Devlin lächelte. »Ich könnte eine Tasse Tee vertragen, Mrs. Grey. Habe eine tolle Fahrerei hinter mir.«
Joanna Grey machte sich sogleich daran, Tee aufzubrühen. Zwischendurch fragte sie: »Na, und wie war's?«
»Einigermaßen«, sagte er. »Und in vieler Hinsicht überraschend.« »Wieso?«
»Ach, die Leute, die allgemeine Stimmung. Hatte ich mir eigentlich anders vorgestellt.« Er dachte insbesondere an das Bahnhofsrestaurant in Leeds, wo sich die ganze Nacht über Reisende aller Art drängten, die hoffnungsvoll auf einen Zug nach irgendwohin warteten, an das Plakat an der Wand, dessen Aufschrift ihm ganz besonders sinnig vorkam: Überlegen Sie noch einmal gründlich: Ist meine Reise wirklich notwendig? Er dachte an den bärbeißigen Humor der Wartenden, die allgemeine gute Laune und verglich sie mit der bedrückten Atmosphäre, die bei seiner Abreise auf dem Bahnhof in Berlin geherrscht hatte.
»Scheinen hier ziemlich überzeugt zu sein, daß sie den Krieg gewinnen«, sagte er, als Joanna das Tablett zum Tisch brachte. »Dumm geboren«, erwiderte sie gelassen, »und nichts dazugelernt. Keine Spur von der Organisation und der Disziplin, die der Führer in Deutschland geschaffen hat.«
Devlin sah wieder die schwer angeschlagene Reichskanzlei vor sich, die Teile Berlins, die nach den massiven Luftangriffen der Alliierten nur noch Trümmerhaufen waren, und fühlte sich zu der Bemerkung versucht, daß sich seit den guten alten Tagen eine Menge verändert habe. Er war jedoch ziemlich sicher, daß eine solche Äußerung übel aufgenommen würde. Also trank er seinen Tee und beobachtete, wie Joanna zu einem Eckschrank ging, ihn öffnete und eine Flasche Whisky herausnahm. Er konnte sich nicht genug wundern, daß diese liebenswürdige, weißhaarige Frau in dem adretten Tweedrock und den Gummistiefeln das war, was sie war.
Sie goß großzügige Portionen in zwei Gläser, dann hob sie das eine. »Auf das englische Abenteuer«, sagte sie mit glänzenden Augen. Devlin hätte ihr sagen können, daß die Expedition der spanischen Armada damals so genannt worden war, bedachte jedoch, wie jenes unselige Wagnis geendet hatte und hielt auch diesmal wieder lieber den Mund. »Auf das englische Abenteuer«, erwiderte er feierlich. »Gut.« Sie setzte das Glas ab. »Zeigen Sie mir jetzt alle Ihre Papiere. Ich muß nachsehen, ob nichts fehlt.«
Er zeigte seinen Paß vor, die Entlassungspapiere der Army, ein vorgebliches Empfehlungsschreiben seines ehemaligen vorgesetzten Offiziers, ein ähnlich lautendes Schriftstück des Priesters seiner Pfarrei und verschiedene militärärztliche Atteste.
»Ausgezeichnet«, sagte sie. »Wirklich sehr gute Papiere. Nun geht's also folgendermaßen weiter: Ich habe Ihnen eine Anstellung beim Gutsherrn, Sir Henry Willoughby, verschafft. Er möchte Sie sofort nach
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