Der Adler ist gelandet
Kein Problem. Holen Sie's morgen nachmittag in Studley Grange ab. Dann können Sie auch gleich das Motorrad mitnehmen. Es gibt drei Gallonen Sprit pro Monat, mehr nicht, müssen eben sehen, wie Sie damit auskommen. Wir müssen alle Opfer bringen.« Wieder zwirbelte er seinen Schnurrbart. »Eine einzige Lancaster, Devlin, braucht zweitausend Gallonen, um an die Ruhr zu fliegen. Wußten Sie das?« »Nein, Sir.«
»Na sehen Sie. Wir müssen alle bereit sein, unser Bestes zu geben.« Joanna Grey nahm ihn beim Arm. »Sir Henry, Sie verspäten sich noch!« »Ja, natürlich, meine Liebe.« Er nickte dem Iren zu. »All right, Devlin, dann bis morgen nachmittag.«
Devlin legte salutierend die Hand an die Stirn und wartete, bis die beiden das Haus durch die Vordertür verlassen hatten. Erst dann ging er hinüber ins Wohnzimmer. Er sah dem abfahrenden Sir Henry nach und zündete sich gerade eine Zigarette an, als Joanna Grey zurückkam. »Wissen Sie«, fragte er, »ob er und Churchill näher bekannt sind?«
»Soviel ich weiß, sind sie einander noch nie begegnet. Studley Grange ist wegen seiner elisabethanischen Gartenanlagen berühmt. Der Premierminister hat es sich in den Kopf gesetzt, dort ein ruhiges Wochenende zu verbringen und ein bißchen zu malen, ehe er wieder nach London zurückkehrt.«
»Und Sir Henry hat sich überschlagen vor Bereitwilligkeit, wie? O ja, das kann ich mir gut vorstellen.«
Sie schüttelte unwillig den Kopf. »Ich fürchtete die ganze Zeit, Sie würden auf irisch zu fluchen anfangen. Sie sind ein schlimmer Bursche, Mr. Devlin.«
»Liam«, sagte er. »Nennen Sie mich Liam. Es klingt besser, besonders, wenn ich zu Ihnen nach wie vor Mrs. Grey sage. Er hat wohl eine Schwäche für Sie, und das in seinem Alter?« »Der Herbst hat auch noch sonnige Tage.«
»Ich stelle ihn mir eher winterlich vor. Andererseits dürfte seine Neigung verdammt nützlich sein.«
»Mehr als das... sie ist Grundbedingung«, sagte sie. »Aber jetzt holen Sie Ihre Tasche, und dann bringe ich Sie im Wagen nach Hobs End.«
Der Regen, den der Seewind vor sich hertrieb, war kalt, und über den Marschen hing Nebel. Joanna Grey fuhr den Wagen in den Hof des alten Marschenwächterhauses. Devlin stieg aus und blickte sich nachdenklich um. Eine seltsame, gespenstische Szenerie, bei deren Anblick ihm das Gruseln kam. Kleine Rinnsale und Schlammpfützen, hohes, bleiches Schilf, das sich aus dem Nebel hob, und irgendwo weit draußen dann und wann ein Vogelschrei, ein unsichtbarer Schwingenschlag. »Jetzt verstehe ich, was Sie mit ›allein auf weiter Flur‹ meinten.« Sie holte den Schlüssel unter einem flachen Stein neben der Tür hervor, schloß auf und ging in einen gepflasterten Korridor voran. Feuchtigkeit stieg auf, und die Tünche blätterte von den Wänden. Zur Linken führte eine Tür in die Wohnküche. Auch hier bestand der Fußboden aus Steinplatten, die jedoch mit Binsenmatten belegt waren. Am einen Ende ein riesiger offener Kamin, am anderen ein eiserner Kochherd und ein lädiertes weißes Spülbecken mit einem einzigen Wasserhahn. Ein großer Tisch aus Fichtenholz mit zwei Bänken und ein alter Schaukelstuhl neben dem Kamin waren das ganze Mobiliar.
»Soll ich Ihnen mal was sagen?« sagte Devlin. »In genauso einem Haus bin ich in County Down in Nordirland aufgewachsen. Ein anständiges Höllenfeuer, und die ganze Feuchtigkeit ist im Handumdrehen weg.« »Es hat einen ganz besonderen Vorzug... Einsamkeit«, sagte sie. »Sie werden vermutlich während Ihres Aufenthalts hier keine lebende Seele zu sehen kriegen.« Devlin öffnete die Reisetasche und nahm einige Kleidungsstücke und ein paar Bücher heraus. Dann fuhr er mit dem Finger über das Futter, drückte eine verborgene Feder und entfernte einen Zwischenboden. Darunter lagen eine Walther P38, eine in drei Teile zerlegte Sten-Maschinenpistole mit Schalldämpfer sowie ein leistungsstarkes Funkgerät im Kleinformat. Ferner tausend Pfund in Einpfundnoten und weitere tausend in Fünfern. Und ein Päckchen, in weißen Stoff verpackt, das er jedoch nicht auswickelte.
»Betriebskapital«, sagte er. »Zum Kauf der Fahrzeuge?«
»Ja. Ich habe eine Adresse, wo ich alles Nötige bekommen kann.« »Woher haben Sie sie?« »So was weiß man bei der Abwehr.« »Und wo ist es?«
»In Birmingham. Ich werde am Wochenende mal rüberfahren. Was ist dabei zu beachten?«
Sie setzte sich auf die Tischkante und sah zu, wie er die Maschinenpistole zusammensetzte. »Eine ganz schöne
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