Der Adler ist gelandet
Stahlkette.
Mit unbewegter Miene prüfte er ihre Papiere, während der Hund ein bedrohliches kehliges Knurren hören ließ. Radl fuhr durch das Tor und hielt vor den Hangars. »So, hier war's«
Die Landschaft erstreckte sich unglaublich flach bis zu den fernen Sanddünen und zur Nordsee. Als Gericke die Tür öffnete und ausstieg, trieb feiner Sprühregen von der See herein und brachte einen salzigen Geschmack mit. Er ging hinüber zum Rand der Rollbahn und stieß mit der Fußspitze gegen den bröckeligen Belag, bis sich ein Klumpen Zement löste.
»Hat ein Schiffsmagnat aus Rotterdam vor zehn oder zwölf Jahren für seinen privaten Gebrauch angelegt«, sagte Radl, der ebenfalls ausgestiegen war und zu ihm trat. »Was sagen Sie dazu?« »Fehlen uns bloß noch die Gebrüder Wright.« Gericke blickte in Richtung Meer, schauderte und rammte die Hände tief in die Taschen seiner Lederjacke. »Gräßliche Klitsche. Ehrlich, der Arsch der Welt.« »Deshalb ist es genau das Richtige für unsere Zwecke«, erklärte Radl. »So, und jetzt zum Kern der Sache.«
Er ging voran zum ersten Hangar, der wiederum von einem Feldjäger plus dazugehörigem Wolfshund bewacht wurde. Radl nickte, und der Mann zog eines der Schiebetore auf.
Drinnen war es kalt und feucht, durch ein Loch im Dach kam der Regen herein. Die zweimotorige Maschine, die hier stand, sah einsam und verloren aus, deutlich fern der Heimat. Gericke rühmte sich, daß ihn seit langem nichts und niemand mehr überraschen könne, aber an diesem Vormittag galt das nicht.
Die Maschine war eine Douglas DC3, die berühmte Dakota, wahrscheinlich eines der besten Allround-Transportflugzeuge, die je gebaut wurden, und im Zweiten Weltkrieg war sie für die Alliierten das gleiche »Mädchen für alles« wie die Ju 52 für die Deutschen. Das Interessante an diesem Exemplar war, daß es an den Tragflächen das Hoheitszeichen der deutschen Luftwaffe und am Schwanz das Hakenkreuz trug. Peter Gericke liebte Flugzeuge, wie manche Männer Pferde lieben: mit tiefer, unwandelbarer Leidenschaft. Er reckte sich und streichelte sanft einen Tragflügel, und seine Stimme klang weich, als er sagte: »Du bist und bleibst die Schönste.« »Sie kennen diese Maschine?« sagte Radl. »Besser als jede Frau.«
»Sechs Monate bei der Landros-Luftfrachtgesellschaft in Brasilien, von Juni bis November 1938. Neunhundertdreißig Flugstunden. Nicht schlecht für einen Neunzehnjährigen. Muß kein Zuckerlecken gewesen sein, diese Fliegerei«, sagte Oberst Radl. »Deshalb also sind Sie auf mich verfallen?« »Alles in Ihren Papieren.« »Wo haben Sie die Kiste her?«
»Royal Air Force Transportkommando, haben vor vier Monaten Versorgung für den holländischen Widerstand abgeworfen. Einer Ihrer Kollegen von den Nachtjägern hat sie erwischt. Nur geringfügiger Motorenschaden. Irgend etwas mit der Benzinpumpe, soviel ich weiß. Der Beobachter war so schwer verwundet worden, daß er nicht abspringen konnte, deshalb machte der Pilot eine Notlandung auf einem Acker. Zu seinem Pech direkt neben einer SS-Kaserne. Bis er seinen Kameraden aus der Maschine hatte, war es zu spät, sie in die Luft zu sprengen.« Der Einstieg war offen, und Gericke zog sich hinein. Er setzte sich im Cockpit vor die Armaturen. Für einen Augenblick war er wieder in Brasilien, unter ihm lag der grüne Dschungel, durch den sich der Amazonas wie eine riesige Schlange meerwärts wand.
Radl setzte sich auf den Nebensitz. Er zog ein Etui und bot Gericke eine Zigarette an. »Sie könnten also dieses Ding da fliegen?« »Wohin?«
»Nicht sehr weit. Über die Nordsee nach Norfolk. Rein und wieder raus.«
»Und was tun?«
»Sechzehn Fallschirmjäger absetzen.«
Vor Überraschung zog Gericke so scharf den Atem ein, daß ihn der Rauch des ätzenden Tabaks, der ihm in die Kehle geriet, fast erstickte.
Er lachte unbändig. »Operation Seelöwe findet also doch noch statt. Glauben Sie nicht, daß es für eine Invasion in England ein bißchen spät am Tage ist?«
»Der betreffende Küstenabschnitt hat keinen TiefenradarSchutz«, sagte Radl ruhig. »Überhaupt keine Schwierigkeiten, wenn Sie unter zweihundert Meter anfliegen. Natürlich werde ich das Flugzeug überholen und die RAF-Kokarde wieder auf die Tragflügel malen lassen. Wenn Sie überhaupt gesichtet werden, dann sichtet man eine RAF-Maschine, die vermutlich ihrer regulären Tätigkeit nachgeht.«
»Aber wozu?« sagte Gericke. »Was, zum Teufel, sollen die da drüben tun?«
»Das
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