Der Adler ist gelandet
schief. »Ich bin Katholik, denken Sie daran, falls es ins Auge gehen sollte.«
»Hier wohnen nur Katholiken. Ich sorge dafür, daß Sie in geweihte Erde kommen.«
Er stieg über die Drahtschlingen, hielt eine Weile vor der Sandfläche inne und prüfte dann ihre Festigkeit. Wieder machte er halt, dann rannte er plötzlich und hinterließ nasse Fußspuren, denn die Flut war noch nicht lange draußen. Er machte kehrt, lief zurück und kletterte wieder über den Drahtverhau.
Begeistert legte er ihr den Arm um die Schultern. »Sie hatten recht, wie immer. Die Sache wird klappen.« Er blickte meerwärts über die Rinnsale und Sandbänke durch den Nebel bis zum Kap. »Wunderschön. Beim Gedanken, daß Sie das alles verlassen müssen, bricht Ihnen sicherlich das Herz.«
»Verlassen?« Sie starrte ihn entgeistert an. »Wie meinen Sie das?« »Aber, Sie können doch nicht bleiben«, sagte er. »Nachher, meine ich. Das begreifen Sie doch, oder?«
Sie blickte hinaus zum Kap, als wäre es zum letztenmal. Seltsam, aber es war ihr nie in den Sinn gekommen, daß sie von hier wegmüßte. Sie schauderte, als der Wind einen peitschenden Regenschwall von der See hereintrieb.
Um zwanzig vor acht an diesem Abend beschloß Max Radl in seinem Büro am Tirpitz-Ufer, daß es für heute genug sei. Er fühlte sich schon seit seiner Rückkehr aus der Bretagne nicht wohl, und der Arzt war über seinen Zustand entsetzt gewesen.
Er öffnete eine Schublade, nahm eines der Pillenfläschchen heraus und steckte sich zwei Tabletten in den Mund. Sie sollten schmerztötend wirken, aber vorsichtshalber spülte er sie mit einem halben Glas Courvoisier hinunter. Es klopfte an die Tür, und Hofer trat ein. Sein sonst so ausgeglichenes Gesicht glühte vor Begeisterung. »Was gibt's, Hofer, was ist passiert?« fragte Radl. Hofer schob eine Funkkladde über den Schreibtisch. »Soeben eingetroffen, Herr Oberst. Von Star, Mrs. Grey. Er ist gut angekommen.« Radl blickte fast mit Ehrfurcht auf die Funkkladde. »Mein Gott, Devlin«, flüsterte er. »Er hat es geschafft.«
Eine Welle der Erleichterung durchlief ihn. Er griff in die unterste Schreibtischlade und brachte ein zweites Glas zum Vorschein. »Hofer, darauf müssen wir einen heben.«
Er stand auf, von wilder Freude erfüllt, von einem Gefühl, das er seit Jahren nicht mehr gekannt hatte, nicht mehr, seit er im Sommer 1940 an der Spitze seiner Leute auf die französische Küste zugestürmt war. Er hob das Glas und sagte zu Hofer: »Auf das Wohl Liam Devlins, und ›Es lebe die Republik‹.«
Als Stabsoffizier bei der Lincoln Washington Brigade in Spanien hatte Devlin das Motorrad als das praktischste Verbindungsfahrzeug zwischen den im schwierigen Berggelände verstreuten Einheiten seines Kommandos schätzen gelernt. Hier in Norfolk war alles ganz anders, und doch fühlte er sich genauso frei, aller Fesseln ledig, als er von Studley Grange über stille Landwege zum Dorf fuhr.
An diesem Vormittag hatte er in Holt zusammen mit seinen übrigen Papieren ohne die geringste Schwierigkeit auch einen Führerschein bekommen. Bei sämtlichen Behörden, die er aufgesucht hatte, von der Polizeistation bis zur Zweigstelle des Arbeitsamts, hatte seine Tarngeschichte vom Infanteriesoldaten, der wegen seiner schweren Verwundung aus der Army entlassen wurde, wahre Wunder gewirkt. Die zuständigen Stellen hatten einander darin überboten, ihm alle Wege zu ebnen. Das Motorrad stammte natürlich aus der Vorkriegszeit und hatte bessere Tage gesehen. Eine 350er Maschine, aber als er auf der ersten Geraden einen Versuch machte und Vollgas gab, kletterte die Tachometernadel mühelos auf sechzig Meilen.
An der alten Mühle mit dem stillstehenden Wasserrad vorbei fuhr er den steilen Hügel ins Dorf hinab und bremste wegen eines Mädchens auf einem Ponywagen mit drei Milchkannen. Das Mädchen trug eine blaue Mütze und einen sehr alten, aus dem Ersten Weltkrieg stammenden Regenmantel, der ihr mindestens zwei Nummern zu groß war. Sie hatte hohe Wangenknochen, große Augen, einen zu breiten Mund, und drei Finger guckten aus den Löchern in ihren Wollhandschuhen. »Ich wünsche einen guten Tag«, sagte er vergnügt und wartete, bis sie vor ihm auf die Brücke gefahren war. »Gott segne die gute Arbeit.« Sie warf ihm einen erstaunten Blick zu, und ihr Mund öffnete sich leicht. Der Sprache schien sie nicht mächtig zu sein, sie schnalzte nur mit der Zunge und trieb das Pony zu einem leichten Trab, als sie den Hügel hinter
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