Der Adler ist gelandet
Verdunkelungsvorhänge nicht ganz dicht schlössen. Als er die Tür öffnete, roch es nach Essen. Er stellte das Gewehr in die Ecke, hängte die Ölhaut zum Trocknen auf und ging in den Wohnraum.
Sie kniete vor dem Feuer und legte gerade ein frisches Scheit auf. Ernsthaft blickte sie sich nach ihm um. »Sie sind bestimmt naß bis auf die Haut.«
»Eine halbe Stunde vor diesem Feuer, ein paar Gläser Whisky im Magen, und ich bin in Ordnung.«
Sie ging zum Schrank, nahm die Flasche Bushmills und ein Glas heraus. »Aber nicht auf den Boden schütten«, sagte sie. »Der hier wird getrunken.«
»Das wissen Sie also auch schon?«
»Gibt nicht viel, was sich in so einem Dorf nicht rumspricht. Hab' Irishstew im Ofen. All right?« »Großartig.«
»Halbe Stunde, würd' ich sagen.« Sie ging hinüber zum Ausguß und nahm ein Gläsertuch. »Was ist passiert, Liam? Warum gehen Sie mir aus dem Weg?«
Er setzte sich in den alten Schaukelstuhl und streckte die Beine so nah ans Feuer, daß seine Hose dampfte. »Hab' es damals für das beste gehalten.«
»Warum?« »Darum.«
»Und was war heute?«
»Sonntag, Scheißsonntag. Sie wissen doch, wie's ist.« »Hol Sie der Teufel.« Sie kam zu ihm herüber, trocknete sich die Hände an der Schürze und blickte auf den Dampf, der von Devlins Hosen aufstieg. »Wenn Sie sich nicht umziehen, holen Sie sich den Tod. Oder mindestens Rheuma.«
»Lohnt nicht mehr«, sagte er. »Ich geh' bald ins Bett. Ich bin müde.« Zögernd streckte sie die Hand aus und berührte sein Haar. Er nahm die Hand und küßte sie. »Ich liebe Sie, wissen Sie das?« Es war, als hätte man in ihr eine Lampe angeknipst. Sie strahlte, schien aufzublühen und ein völlig neuer Mensch zu werden. »Na, Gott sei Dank. Dann kann ich wenigstens jetzt mit gutem Gewissen ins Bett gehen.« »Ich bin schlecht für dich, mein liebes Kind, es führt zu nichts. Hat keine Zukunft, ich warne dich. Über dieser Schlafzimmertür sollte eine Inschrift stehen. Die ihr hier eingeht, laßt alle Hoffnung fahren.« »Das werden wir sehen«, sagte sie. »Jetzt schaue ich nach dem Stew«, und sie ging hinüber zum Herd.
Später, als er in dem alten Messingbett lag, einen Arm um sie geschlungen, und zusah, wie die Schatten des Feuers an der Decke tanzten, fühlte er sich so wohl und mit sich selbst im reinen wie seit Jahren nicht mehr. Auf einem Tischchen neben dem Bett stand ein Radio. Sie schaltete es ein. Dann drehte sie sich um, preßte den Bauch an seinen Schenkel und seufzte mit geschlossenen Augen: »Ach, das war schön. Können wir es gelegentlich noch mal machen?«
»Vielleicht läßt du mich erst mal zu Atem kommen, wie?« Sie lächelte und strich mit der Hand über seinen Bauch. »Wenn's nur schon so weit wäre«, sagte sie schläfrig. »Was?« fragte er.
»Daß der Satan mit dem kleinen Bärtchen unter einem Grabstein liegt, Hitler. Dann wird es doch vorbei sein, oder?« Sie kuschelte sich näher an ihn. »Was wird dann mit uns, Liam? Wenn der Krieg vorbei ist?«
»Das weiß Gott.«
Er lag da und starrte ins Feuer. Nach einer Weile wurde ihr Atem ruhiger und sie schlief. Wenn der Krieg vorbei ist. Welcher Krieg? Auf die eine oder andere Art war er schon seit zwölf Jahren auf den Barrikaden. Wie konnte er ihr das sagen? Und es war ein sauberes kleines Anwesen, und sie brauchten einen Mann. Mein Gott, was für ein Jammer. Er hielt sie fest umschlungen, und der Wind heulte um das alte Haus und rüttelte an den Fenstern.
In der Prinz-Albrecht-Straße in Berlin saß Himmler noch immer an seinem Schreibtisch und arbeitete sich methodisch durch Dutzende von Berichten und Statistiken, vor allem solche über die Ausrottungskommandos, die in den besetzten Gebieten Osteuropas und Rußlands Juden, Zigeuner, geistig und physisch Behinderte und alle anderen Menschen liquidierten, die nicht in des Reichsführers Plan für ein größeres Europa
paßten.
Ein höfliches Klopfen an der Tür, und Karl Rossmann trat ein. Himmler blickte auf. »Wie sind Sie weitergekommen?«
»Es tut mir leid, Reichsführer, aber er gibt nicht nach, und wir haben schon fast alles probiert. Ich frage mich allmählich, ob er nicht wirklich unschuldig ist.«
»Ausgeschlossen.« Himmler hielt ein Blatt Papier hoch. »Dieses Dokument ist heute abend eingegangen. Ein unterschriebenes Geständnis eines Unteroffiziers der Artillerie, der zwei Jahre lang sein Bursche war und sich während dieser Zeit auf ausdrücklichen Befehl von Generalmajor Karl Steiner an
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