Der Adler ist gelandet
als sagte ihr eine Ahnung, daß von diesem Augenblick an nichts mehr je so sein würde wie bisher.
Schritte näherten sich, und Devlin sagte ruhig: »Sei so gut und packe alles wieder rein, ja?«
Sie blickte mit schneeweißem Gesicht zu ihm auf. »Was ist das? Was bedeutet das alles?«
»Nichts«, sagte er. »Nichts für kleine Mädchen.« »Aber das viele Geld.«
Sie hielt ein Bündel Fünf-Pfund-Noten hoch. Devlin nahm ihr die Reisetasche weg, stopfte das Geld und die Waffe wieder hinein und legte den Zwischenboden darüber. Dann öffnete er den Wandschrank unterm Fenster, holte einen großen Umschlag heraus und warf ihn ihr zu.
»Größe zehn. Richtig?«
Sie machte den Umschlag auf, lugte hinein, und jähes Erschrecken malte sich auf ihrem Gesicht. »Seidenstrümpfe. Echte Seide, und gleich zwei Paar. Wo, um alles in der Welt, hast du die her?« »Ach, von einem Mann, den ich in einem Lokal in Fakenham kennengelernt habe. Man kann alles kriegen, was man will, wenn man weiß, wo man danach suchen muß.«
»Der schwarze Markt«, sagte sie. »Du bist also Schwarzhändler!« In ihren Augen las er eine gewisse Erleichterung, und er grinste. »Schwarz ist meine Lieblingsfarbe. Und wenn du jetzt vielleicht liebenswürdigerweise den Tee bereiten wolltest, und zwar dalli. Ich will um sechs von hier weg und bin mit dem Motorrad noch immer nicht ganz fertig.« Sie zögerte, packte die Strümpfe fester und trat zu ihm. »Liam, es ist doch alles in Ordnung, oder?«
»Warum sollte es denn nicht in Ordnung sein?« Er küßte sie flüchtig, drehte sich um und ging hinaus. Er verfluchte seine eigene Dummheit. Doch auf dem Weg zur Scheune wurde ihm klar, daß es nicht nur darum ging. Daß er vielmehr zum erstenmal wirklich mit der Frage konfrontiert wurde, was er diesem Mädchen antat. Noch eine gute Woche, und ihre ganze Welt würde zusammenstürzen. Das war absolut unvermeidlich, und er würde es nicht mehr aufhalten können. Er würde von ihr fortgehen, und sie würde ganz allein damit fertig werden müssen. Plötzlich überkam ihn ein Gefühl körperlichen Ekels, und er versetzte einer herumstehenden Kiste einen wütenden Fußtritt. »Oh, du Schweinehund«, sagte er. »Liam, du elender Schweinehund.«
Reuben Garvald öffnete den Spion im großen Tor der Werkstatt von Fogarty's Garage und spähte hinaus. Regen fegte über den rissigen Zementboden der Zufahrt, wo zwei Benzinpumpen vor sich hinrosteten. Reuben schloß den Spion hastig wieder und trat ins Innere des Raums zurück. Die Werkstatt war eine ehemalige Scheune und überraschend geräumig. Eine Holztreppe führte zu einem Dachboden, und obwohl in der Ecke eine abgewrackte Limousine stand, war noch reichlich Platz für den Bedford-Dreitonner und den Lieferwagen, in dem Garvald und sein Bruder von Birmingham herübergefahren waren. Ben Garvald stapfte ungeduldig auf und ab und schlug im Gehen von Zeit zu Zeit die Arme übereinander. Trotz seines dicken Mantels und eines Schals fror er jämmerlich. »Herrgott, was für ein Eiskeller«, sagte er. »Ist denn noch immer nichts von diesem kleinen Irenschwein zu sehen?« »Es ist erst dreiviertel neun«, gab Reuben zu bedenken. »Ich pfeif drauf, wie spät es ist.« Garvald ging auf einen breitschultrigen, kräftigen jungen Mann in einer Fliegerjacke aus Schafspelz los, der an dem Lastwagen lehnte und eine Zeitung las. »Du siehst zu, daß es morgen abend hier einigermaßen warm ist, Sammyboy, oder du kannst was erleben. Verstanden?«
Sammy, der lange, dunkle Koteletten hatte und einen kalten,
gefährlich wirkenden Gesichtsausdruck, war völlig unbeeindruckt. »Okay, Mr. Garvald, wird gemacht.«
»In deinem eigenen Interesse, mein Süßer, sonst schicke ich dich wieder zurück zur Army.« Garvald tätschelte seine Wange. »Und das möchtest du doch nicht, wie?«
Er zog ein Päckchen Gold-Flakes-Zigaretten aus der Tasche, nahm sich eine heraus, und Sammy gab ihm mit starrem Lächeln Feuer. »Sie sind schon eine Nummer, Mr. Garvald. Eine tolle Nummer.« Reuben rief aufgeregt von der Tür her: »Gerade ist er in die Zufahrt eingebogen.«
Garvald zog Sammy am Ärmel. »Mach das Tor auf und laß den Kerl rein.«
Devlin fuhr in einem Wirbel von Regen und Wind herein. Er trug zu seinem Trenchcoat Beinschützer aus Wachstuch, einen alten ledernen Sturzhelm und eine Motorradbrille aus einem Gebrauchtwarenladen in Fakenham. Sein Gesicht war schmutzig, und als er den Motor abgestellt hatte und die Brille hochschob, sah man
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