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Der Advent, in dem Emma ihren Schutzengel verklagte

Der Advent, in dem Emma ihren Schutzengel verklagte

Titel: Der Advent, in dem Emma ihren Schutzengel verklagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noel Hardy
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sich einem Geschäft, über dessen beiden Schaufenstern in goldfarbenen Lettern KuK Art et Antiquités Von Salásy prangte. Vor den Fenstern verharrte er und betrachtete die Auslagen. Das auf Wellen von rotem Samt wogende Angebot war ein scham loses Sammselsurium von billigem Tand, arrangiert, nein, angehäuft wie der Kitsch der zahllosen Souvenirläden in den Gassen von Lourdes.
    Da gab es ein japanisches Teeservice, mit zarten Malereien verziert, auf einem Tablett, das so tat, als käme es aus der Werkstatt von Fabergé. Mehrere Porzellanputten mit Goldglasur standen neben einem polnischen Kavalleriesäbel und zwei einläufigen Duellpistolen in einem Eben holzkasten. Es gab einen englischen Jugendstilschreibtisch aus dem 19. Jahrhundert, Mahagoni mit Messingbeschlägen und bleiverglasten Türen. Auf Brokatkissen drapiert lagen diverse Orden von diversen Armeen aus diversen Kriegen, darunter ein Pour le Mérite und ein Eisernes Kreuz. Daneben ein angelaufener, mit Blattgold verzierter Spiegel, die Kopie eines Turner, Hafen und Tower – das Rot, die dunstige Sonne! – und ein Gemälde, das den Kampf des Heiligen Georg mit dem Drachen zeigte, vermutlich Paolo Uccello nachempfunden, um nicht zu sagen, eine Fälschung.
    Der Monsignore schirmte die Augen ab und versuchte, hinter den Lampen, Vasen und Standuhren das Innere des Geschäfts zu erkennen. Als sich seine Augen an das Halbdunkel im Verkaufsraum gewöhnt hatten, kam es ihm vor, als blicke er geradewegs auf die Bühne eines Theaters, in dem gerade ein Stück aus einem anderen Jahrhundert gegeben wurde.
    Der Hauptdarsteller inszenierte sich allem Anschein nach als Mann von Stand, trug dabei aber viel zu dick auf, selbst für jemanden aus dem österreichisch-ungarischen k.u.k.-Adel: die silberne Taschenuhr in der purpurnen Brokatweste, die goldenen Ringe mit den winzigen Rubinen an beiden Mittelfingern, das Monokel, das nadel dünne Menjou- Bärtchen, der schiefergraue Gehrock über dem changierenden Seidenhemd – so hätte man nur im Boulevardtheater einen Baron mit fragwürdigem Hintergrund auf die Bühne geschickt. Dazu noch die tückisch funkelnden, schwarzen Augen und das lange silberweiße Haar, das im Nacken zu einem Pferdeschwanz gebun den war … die reinste Schmiere! Kein Zweifel, das musste Salásy selbst sein.
    Ein älterer Mann in einem silbergrauen Wolfsfellmantel sah mit freudig gerötetem Gesicht zu, wie der Baron eine kleine Venus aus weißem Marmor in Seidenpapier schlug. Danach bettete er die Statuette auf den Boden einer mit grünem Stoff ausgeschlagenen Holzschachtel und verschloss diese mit einer schwungvollen Geste. Da bei zwinkerte er dem Mann im Mantel verschwörerisch zu.
    Was für ein Vergnügen musste es sein, diesem um billige Effekte bemühten Komödianten die Beichte abzunehmen! Der Monsignore trat näher ans Fenster, über dem ein Oberlicht gekippt war, und spitzte die Ohren.
    Gerade deklamierte Salásy mit dröhnender Stimme: »Ich beneide Sie um Ihren Kunstverstand, mein Herr. Es bricht mir das Herz, dass Sie unter all dem Trödel hier die einzige echte Kostbarkeit entdeckt haben. Geld ist kein Ersatz für die Schaumgeborene von Cellini! Sie stehen im Begriff, meinem Leben seinen Sinn zu rauben!« Dabei fiel ein Ausdruck tiefsten Kummers wie ein Schatten auf sein Gesicht. Der Mann im Wolfsfellmantel reagierte mit einem geschmeichelten Lächeln. Salásy schob die Schachtel in eine Tragetasche und tippte einen unfassbaren Betrag in die altmodische Registrierkasse. Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, griff der Käufer in die Manteltasche und überreichte dem Baron ein prall gefülltes Kuvert. Dann fuhr er in kastanienbraune Lederhandschuhe, ergriff die Papiertüte und eilte zur Tür, als fürchte er, Salásy könnte den Verkauf noch rückgängig machen.
    Die Türglocke erklang, und schon auf der Schwelle rief der Kunde: »Wenn Sie wieder einmal eine solche Trouvaille hereinbekommen, müssen Sie mich unbedingt sofort anrufen!« Wenig später verschmolz er mit den Touristenhorden in der schmalen Gasse.
    Der Inhaber wartete noch einen Augenblick, um ganz sicherzugehen, dann verschwand er hinter einem grünen Filzvorhang, der offenbar die Tür zum Lager verbarg. Eine Zeit lang geschah nichts, dann kehrte er in den Laden zurück. Im Arm hielt er eine exakte Kopie der eben verkauften Venus,

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