Der Afghane
einem leitenden Offizier des MI5 verheiratet gewesen, bis dieser zwei Jahre zuvor gestorben war. Sie war »eine von uns«, wie Steve Hill es formulierte: Sie kannte sich aus mit den Sicherheitsprozeduren und dem Kult der verteilten Informationen, und sie hatte nicht die leiseste Absicht, jemals irgendjemandem etwas von ihrer Anwesenheit in Schottland zu erzählen.
Außerdem brauchte man ihr nicht zu sagen, dass der Mann, den sie unterrichten sollte, sich in eine gefährliche Lage begeben würde, denn sie würde auch ohne diese Vorkenntnis entschlossen dafür sorgen, dass er keinen Fehler beging, nur weil sie etwas vergessen hatte. Ihr Fachgebiet war der Koran, ihre Kenntnisse darüber waren enzyklopädisch und ihr Arabisch makellos.
»Haben Sie schon einmal von Muhammad Asad gehört?«, fragte sie Martin. Er schüttelte den Kopf.
»Dann fangen wir mit ihm an. Geboren als deutscher Jude namens Leopold Weiß, konvertierte er zum Islam und wurde einer seiner größten Gelehrten. Er schrieb den wahrscheinlich besten Kommentar zu al-Isra, der Reise von Arabien nach Jerusalem und weiter in den Himmel. Dieses Ereignis war die Grundlage der fünf täglichen Gebete, der Eckpfeiler des Glaubens. Als Junge hätten Sie das in Ihrer madrasa gelernt, und Ihr Imam, ein Wahhabit, hätte fest daran geglaubt, dass es eine reale, physische Reise war und keine Traumvision. Also glauben Sie das auch. Und jetzt die täglichen Gebete. Sprechen Sie mir nach …«
Najib Qureshi war beeindruckt. Sie weiß mehr über den Koran als ich, dachte er.
Um sich Bewegung zu machen, zogen sie sich warm an und wanderten durch die Berge, immer begleitet von Angus mit seinem ganz legalen Jagdgewehr.
Obwohl Martin Arabisch sprach, hatte er noch atemberaubend viel zu lernen, begriff er. Najib Qureshi brachte ihm bei, Arabisch mit paschtunischem Akzent zu sprechen. Heimlich hatte man Izmat Khans Stimme aufgezeichnet, wenn er mit seinen Mitgefangenen in Camp Delta Arabisch sprach; immerhin war es möglich, dass er dabei Geheiminformationen offenbarte. Das hatte er nicht getan, aber für Mr. Qureshi waren diese Aufzeichnungen von unschätzbarem Wert, weil er seinem Schüler damit beibringen konnte, Izmat Khan zu imitieren.
Mike Martin hatte zwar während der sowjetischen Besatzungszeit sechs Monate bei den Mudschaheddin in den Bergen verbracht, doch das war jetzt achtzehn Jahre her, und er hatte vieles vergessen. Qureshi coachte ihn in Paschto, aber man war sich von Anfang an darin einig, dass Martin unter Paschtunen niemals als Paschtune durchgehen würde.
Vor allem ging es jedoch um zwei Dinge: um die Gebete und um das, was Izmat Khan in Guantanamo Bay passiert war. Die CIA stellte den größten Teil der Verhörspezialisten in Camp Delta, und Marek Gumienny hatte drei oder vier davon ausfindig gemacht, die von Izmats Ankunft an mit ihm zu tun gehabt hatten.
Michael McDonald flog zurück nach Langley, verbrachte ein paar Tage mit diesen Männern, holte jede Einzelheit, an die sie sich erinnern konnte, aus ihnen heraus und studierte auch die Notizen und Tonbandaufzeichnungen, die sie hatten. Er begründete sein Interesse damit, dass Izmat Khan zur Entlassung vorgesehen sei, weil mutmaßlich keine weitere Gefahr bestehe, und dass Langley einfach sichergehen wolle.
Alle Verhörspezialisten waren sich darin einig, dass der paschtunische Gebirgskämpfer und Taliban-Kommandant der härteste Mann im Lager sei. Er hatte sehr wenig preisgegeben, sich niemals beschwert, seine Kooperation auf ein Mindestmaß beschränkt und sämtliche Bestrafungen und Entbehrungen stoisch über sich ergehen lassen. Aber auch darin waren sie sich einig: Wenn man in diese schwarzen Augen schaute, wusste man, dass er einem mit Vergnügen den Kopf abreißen würde.
Als McDonald alles beisammen hatte, flog er mit dem Grumman der CIA zurück und landete auf dem Stützpunkt Edzell. Von dort brachte ihn ein Wagen nach Forbes Castle, wo er Martin briefte.
Tamian Godfrey und Najib Qureshi konzentrierten sich auf die täglichen Gebete. Martin würde sie in Gegenwart anderer sprechen müssen, wobei er keinen Fehler machen durfte. Eines stimmte jedoch zuversichtlich, meinte Najib: Martin war kein geborener Araber, und der Koran war in klassischem Arabisch und keiner anderen Sprache geschrieben. Ein einzelner Versprecher konnte als Aussprachefehler durchgehen. Aber ein ganzer falscher Satz wäre zu viel für einen Jungen, der sieben Jahre in einer madrasa verbracht hatte. Und so erhob und
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