Der Afghane
Inverness. Wenig später umgaben sie die Berge der schottischen Highlands. Nach sieben Meilen bog er von der Hauptstraße ab.
Auf dem Wegweiser stand schlicht »Kemnay«. Sie durchquerten das Dorf Monymusk und kamen zu der Straße, die von Aberdeen nach Alford führt. Nach drei Meilen bog der Landrover rechts ab und fuhr weiter durch Whitehouse in Richtung Keig. Die Straße führte an einem Fluss entlang. Martin fragte sich, ob es dort Lachse oder Forellen gab.
Kurz vor Keig überquerte die Landstraße den Fluss, und danach ging es auf einer langen, gewundenen Privatstraße bergauf. Zwei Kurven, dann erschienen vor ihnen die Steinmassen einer alten Burg auf einer Anhöhe mit einem atemberaubenden Panorama von wilden Bergen und Glens.
Zwei Männer kamen ihnen aus der Einfahrt entgegen und stellten sich vor.
»Gordon Phillips. Michael McDonald. Willkommen auf Castle Forbes, dem Familiensitz von Lord Forbes. Gute Reise gehabt, Colonel?«
»Mike – und Sie haben mich erwartet. Wieso? Angus hat niemanden angerufen.«
»Na ja, tatsächlich hatten wir einen Mann im Flugzeug. Nur zur Sicherheit«, gestand Phillips.
Mike Martin grunzte. Er hatte niemanden bemerkt. Offensichtlich war er aus der Übung.
»Kein Problem, Mike«, sagte CIA-Agent McDonald. »Sie sind hier. In den nächsten achtzehn Wochen werden Sie einer Reihe von Tutoren Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit widmen können. Machen Sie sich ein bisschen frisch, und nach dem Lunch fangen wir mit dem ersten Briefing an.«
Während des Kalten Krieges unterhielt die CIA eine Kette von »sicheren Häusern« quer durch die USA. Einige davon waren Großstadtapartments für diskrete Konferenzen, deren Teilnehmer besser nicht in der Zentrale gesehen wurden. Andere standen in ländlicher Abgeschiedenheit, renovierte Farmhäuser, in denen Agenten nach einer stressreichen Mission einen entspannten Urlaub verbringen und zugleich einen detaillierten Bericht über ihren Einsatz im Ausland abliefern konnten.
Und ein paar hatte man wegen ihrer versteckten Lage ausgewählt: Hier konnte ein sowjetischer Überläufer in gastfreundlicher Inhaftierung gehalten werden, während man seine Authentizität überprüfte und ihn der rachsüchtige KGB, der aus der sowjetischen Botschaft oder einem Konsulat heraus operierte, nicht finden konnte.
CIA-Veteranen verziehen immer noch schmerzlich das Gesicht bei der Erinnerung an Oberst Jurtschenko, der in Rom überlief und erstaunlicherweise mit dem Debriefing-Agenten in einem Restaurant in Georgetown essen gehen durfte. Er ging zur Toilette und kam nie zurück. Der KGB hatte ihn kontaktiert und ihn an seine Familie in Moskau erinnert. Von Reue erfasst, war er dumm genug, den Amnestieversprechen zu glauben; er kehrte zurück, und man hat nie wieder von ihm gehört.
Marek Gumienny hatte nur eine einfache Frage an das kleine Büro in Langley, das für die sicheren Häuser und ihre Wartung zuständig ist: »Welches unserer Häuser ist am abgelegensten, verstecktesten und am schwersten zu betreten und zu verlassen?«
Sein Immobilienkollege brauchte nicht nachzudenken. »Wir nennen es ›die Hütte‹. Verloren für die menschliche Rasse. Steht irgendwo oben in der Pasayten Wilderness in den Cascades.«
Gumienny ließ sich alle verfügbaren Details und Bilder schicken. Dreißig Minuten nach Eintreffen der Akte hatte er seine Entscheidung getroffen und die entsprechenden Befehle gegeben.
Östlich von Seattle, in der Wildnis des Staates Washington, erhebt sich eine Kette steiler, bewaldeter und im Winter verschneiter Berge, die Cascade Range. Innerhalb der Cascades gibt es drei Zonen: den Nationalpark, den Nutzwald und die Pasayten Wilderness. Die beiden ersten sind durch Zufahrtsstraßen erschlossen und nicht ganz unbewohnt.
Hunderttausende Besucher kommen jedes Jahr in den Park, solange er geöffnet ist, und er ist durchzogen von Pisten und Pfaden, Erstere für Geländewagen befahrbar, Letztere gangbar für Wanderer und Reiter. Und die Parkranger kennen jeden Zoll davon.
Der Nutzwald ist aus Sicherheitsgründen für die Öffentlichkeit gesperrt, aber auch hier gibt es ein Netz von Pisten, auf denen grollende Lastwagen die gefällten Stämme zu den Sammelplätzen befördern, damit sie von dort zu den Sägewerken weitertransportiert werden können. Im Winter werden beide Bereiche geschlossen, denn der Schnee macht sie nahezu unpassierbar.
Östlich dieser beiden Zonen beginnt die Wilderness, und sie reicht bis zur kanadischen Grenze hinauf.
Weitere Kostenlose Bücher