Der Agent - The Invisible
Minuten später. Er klappte den Schnellhefter zu und warf ihn auf den Tisch. »Und nichts in diesen Papieren deutet darauf hin, dass er eine Gefahr ist. Zumindest für uns ist er keine.«
»Haben Sie je von ihm gehört?«, fragte Harper. Nachdem er vor ein paar Minuten mit den frisch gefüllten Biergläsern zurückgekehrt war, hatte er schweigend dagesessen, um Kealey nicht bei der Lektüre zu stören.
»Der Name kommt mir irgendwie bekannt vor. Aber nein, ich weiß nicht, wer er ist.«
»Okay, dann erlauben Sie mir, Sie aufzuklären. Was die Hintergründe anbetrifft, sind die Informationen in dem Schnellhefter etwas dürftig. Amari Saifi ist vierzig Jahre alt, in Algerien geboren und war früher Fallschirmjäger in der Armee dieses Landes, daher sein Deckname, Abderrazak al-Para. Zudem ist er eine bedeutende Figur innerhalb der GSPC, der Groupe Salafiste pour la Prédication et le Combat. Seit den späten Neunzigern, als die GSPC erstmals auf sich aufmerksam machte, war sie in Algerien für zahllose terroristische Aktionen verantwortlich, insbesondere für die Entführung von zweiunddreißig europäischen Touristen im Jahr 2003. Diese Tat wurde von Saifi ausgeheckt, und dadurch sind auch wir auf ihn aufmerksam geworden. Um der Wahrheit die Ehre zu
geben, an der Tat selbst hatten wir kein großes Interesse. Uns interessierte mehr, wie diese Geschichte schließlich endete.«
»Was wollen Sie damit sagen?« Kealey hatte die Papiere halbwegs interessiert durchgeblättert, aber er wusste nichts über Saifi oder die GSPC, sodass er sich keinen Reim auf die Informationen machen konnte. Speziell ein Punkt hatte ihn irritiert. Laut den im Anhang beigefügten Dokumenten war es das Ziel der GSPC, in Algerien ein islamistisches Regime zu errichten. Also handelte es sich um eine Rebellengruppe mit einem eng definierten Ziel und - vermutlich - begrenzter Unterstützung. Mit anderen Worten, wahrscheinlich war es schwierig, etwas über die Finanzierung und die aktive Mitgliederzahl der Organisation zu erfahren. Er begriff nicht, warum so eine zusammengewürfelte Truppe die CIA oder gar den amerikanischen Präsidenten beunruhigen sollte, besonders, weil sie sich in den letzten Jahren aufgelöst zu haben schien.
»Nach mehreren Monaten geheimer Verhandlungen«, fuhr Harper fort, »gab die deutsche Regierung auf. Sie bot Saifi für die Freilassung der Geiseln ein Lösegeld von sechs Millionen Dollar an, womit er einverstanden war. Alle wurden in zwei Etappen freigelassen, außer einer jungen Frau, die offenbar in der Sahara, wo die Geiseln festgehalten wurden, an einem Hitzschlag gestorben war. Kommt Ihnen das irgendwie bekannt vor?«
»Eigentlich nicht.« Kealey war nicht gerade beeindruckt. Der dürftige Inhalt des Schnellhefters - ein paar Artikel und ein paar grobkörnige Fotos - konnte zweierlei bedeuten, zumindest seiner Meinung nach. Entweder war Saifi keine besonders große Nummer, oder es gab einfach nicht genügend Hintergrundinformationen über ihn. Harpers nächste Worte stellten allerdings einiges klar.
»Ich habe nicht den Eindruck, dass Sie diese Sache ernst nehmen«, sagte er. »Also lassen Sie mich Klartext reden. Auf den Punkt gebracht, handelt es sich bei Amari Saifi wahrscheinlich um den gefährlichsten Menschen, von dem Sie nie gehört haben. Abgesehen von der erwähnten Entführung war er über einen Zeitraum von vierzehn Monaten direkt an der Ermordung von dreiundvierzig algerischen Soldaten beteiligt. Außerdem wurde er mit einer Reihe von Bombenanschlägen im Nachbarland Mauretanien in Verbindung gebracht, auch wenn seine Beteiligung nie bewiesen werden konnte. Das war im Jahr 2003, aber er ist seit 1992 für die Salafisten aktiv. Im März 2004 war Saifi zu Fuß im Tibestigebirge unterwegs, wo er von einer anderen Rebellengruppe gefangen genommen wurde, der tschadischen Bewegung für Demokratie und Gerechtigkeit. Sechzehn seiner Männer wurden ebenfalls festgenommen, aber nur Saifi zählte. Die Rebellen begriffen sofort, wer ihnen da ins Netz gegangen war, weil sich Saifi zu dieser Zeit bereits den Ruf eines bin Laden der Sahara erworben hatte.«
»Also beschlossen sie, ihn demjenigen zu übergeben, der am meisten bot?«, fragte Kealey.
»Genau. Pech nur für die Rebellen, dass niemand bieten wollte, zumindest nicht sofort. Seltsamerweise schien es selbst die algerische Regierung nicht besonders eilig zu haben, Saifi in die Finger zu bekommen. Den Grund haben wir nie herausbekommen, aber
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