Der Agent - The Invisible
Tochter hatte es ihm am Vortag erzählt. Als er sie nach dem Kopftuch fragte, war ihr wahrscheinlich mehr herausgerutscht als beabsichtigt. Sie hatte gesagt, ihr Vater habe eine Zeit lang in der pakistanischen Hauptstadt gelebt.
»Was ist mit Machados Tochter?«, fragte der Mann am anderen Ende wie aufs Stichwort. »Ist sie bei Ihnen?«
Er schaute zu Pétain hinüber, die ihn erwartungsvoll ansah, die Hände in die Hüften gestemmt. »Ja.«
»Gut. Haben Sie Geld?«
»Ja.« Er hatte im Terminal ein paar Hundert Dollar in Rupien gewechselt. »Wie geht’s weiter?«
»Nehmen Sie ein Taxi, und lassen Sie sich zum Queen’s Way Hotel bringen. Sie betreten es aber nicht … Gehen Sie in Richtung Süden weiter und durchqueren Sie den Bazar. An der ersten Straße biegen Sie nach links ab und gehen in Richtung Osten weiter. Irgendwann kommt auf der rechten Seite ein
Fernsprechamt, und dann sehen Sie ein Restaurant, das Bundu Khan. Sie gehen hinein und fragen nach Nawaz, einem der Kellner. Er gibt Ihnen weitere Instruktionen.«
Kealey musste sich zusammenreißen, um nicht die Beherrschung zu verlieren, und erinnerte sich daran, dass er an der Stelle des anderen ähnliche Vorsichtsmaßnahmen ergriffen hätte. Aber der Mann am anderen Ende musste auch wissen, dass Zeit ein entscheidender Faktor war.
»Ihnen ist klar, dass wir es eilig haben? Wir können nicht den ganzen Tag verplempern, um …«
»Ich verstehe vollkommen«, antwortete der Mann ungeduldig. »Wenn Sie schnell zu Mengal wollen, werden Sie tun, was ich sage. Diese Vorsichtsmaßnahmen sind in meinem Interesse, nicht in Ihrem.«
»Also gut.« Er sah, dass Pétain nervös an ihren Klamotten zupfte. Bestimmt konnte sie es gar nicht abwarten zu erfahren, was los war. »Wir machen uns sofort auf den Weg.«
Der Mann am anderen Ende unterbrach wortlos die Verbindung. Kealey hängte ein, packte Pétains Ellbogen und zog sie in Richtung der Taxis. Etwas war merkwürdig, doch dann fiel ihm ein, dass in Pakistan Linksverkehr galt. Ein paar Leute warteten, aber die Schlange war nicht lang und wurde schnell kleiner. Es würde allenfalls zwei Minuten dauern.
Es war niemand in Hörweite, und deshalb erzählte er auf dem Weg zum Taxistand, was der Mann am Telefon gesagt hatte. Als er fertig war, blickte ihn Pétain verunsichert an.
»Sie sagten, dass Harper diesen Typ aufgetrieben hat?«, fragte sie.
»Nein, ich habe gesagt, dass der Name von der CIA kam. Harper selbst hat nichts damit zu tun. Wenn man davon absieht, dass er den Namen an uns weitergegeben hat.«
»Aber Sie kennen seinen Namen gar nicht«, sagte Pétain. Kealey blickte sie an, für den Augenblick völlig aus dem Konzept. »Falls doch, wäre das eine Neuigkeit. Sie haben kein einziges Mal einen Namen erwähnt.«
»Wirklich nicht? Er heißt Khan.« Das war der erstbeste Name, der ihm einfiel. Wo zum Teufel habe ich ihn gehört?, fragte er sich. Dann fiel es ihm ein. A.Q. Khan war der renommierte Wissenschaftler und Metallurge, der Pakistan 1976 fast allein in eine Atommacht verwandelt hatte. Kealey erinnerte sich, über ihn einen Artikel in Newsweek gelesen zu haben. »Wir werden ihn gleich sehen.«
»Können wir ihm trauen?«
Er dachte darüber nach und blickte sie ernst an. »Ich glaube nicht, dass uns eine andere Wahl bleibt.«
31
Provinz Punjab, Pakistan
Das Haus der ersten Zielperson befand sich auf der anderen Seite eines großen Platzes in der Kleinstadt Sharakpur Sharif. Auf dem Platz standen viele wackelige Bretterbuden, in denen Kleidung, Handys, Fernseher, Kopftücher, Obst und Gemüse verkauft wurden - eigentlich alles, was sich der Kunde nur wünschen konnte. Etliche Leute stöberten in den Waren, während ein Mann mit buschigen weißen Augenbrauen und einem dichten Bart die Straße fegte, ohne auf die Menschen um ihn herum zu achten. Zwischen großen Plakaten für Filme von Fuji und Kodak standen ein paar welke Eukalyptusbäume. Glücklicherweise herrschte nicht zu viel Betrieb. Der Amerikaner saß neben einem kleinen Teeausschank und hatte einen ziemlich guten Blick auf das weiß verputzte einstöckige Haus am südöstlichen Rand des Platzes.
Während er es beobachtete, trank er einen Schluck Wasser und schaute auf die Uhr. Nicht weiter überrascht stellte er fest, dass er seit gut dreißig Minuten hier saß. Während der letzten beiden Stunden hatte er viermal die Position gewechselt. Jetzt hatte er das Gefühl, schon deutlich länger hier zu sitzen als nur eine halbe Stunde, und
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