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Der Agent - The Invisible

Der Agent - The Invisible

Titel: Der Agent - The Invisible Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Britton
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Ton aber sofort. »Nein, danke. Entschuldigen Sie, ich bin nur …«
    Sie drehte sich abrupt auf dem Absatz um, ohne den Satz zu beenden. Elise Machado starrte ihr nach. Kharmai stieg wieder in den ersten Stock, blieb aber auf halber Treppe stehen und hielt sich am Geländer fest. Dann presste sie die andere Hand gegen die Stirn und schloss die Augen. Ganz plötzlich war ihr schwindelig, als wäre alle Energie aus ihrem Körper gewichen. Wahrscheinlich lag es zum Teil an den Tabletten, die sie am Vortag genommen hatte, doch der andere Faktor war ihre Wut. Blinde, tief verwurzelte Wut, die sie so kaum kannte. Plötzlich konnte kein Zweifel mehr bestehen, was geschehen war. Harper musste angerufen haben, weil er neue Hintergrundinformationen über Mengal hatte, und statt sie zu wecken und es ihr zu erzählen, hatte Ryan sich mit Pétain auf den Weg gemacht. Offenbar wollte er sie bei der Suche nach Fitzgerald und den anderen Geiseln nicht mehr dabeihaben.
    Er glaubte, sie sei dem Auftrag nicht mehr gewachsen.
    Und am schlimmsten war, dass er wahrscheinlich recht hatte.
     
    Wieder in ihrem Zimmer, strich sie die Bettwäsche glatt und legte sich hin. Länger als eine Stunde lag sie so da, auf die
Decke starrend, dem Regen lauschend, auf eine Einsicht wartend. Schließlich kamen die Tränen. Sie kämpfte nicht dagegen an, irgendwann war der Bettbezug neben ihrem Kopf nass. Sie dachte an nichts und brauchte die Tränen nicht heraufzubeschwören; sie kamen einfach von selbst. Es war fast so, als wollte ihr Körper sich reinigen von allem, was geschehen war. Von allem zwischen den Ereignissen von New York und Madrid, doch sie wusste, dass ein Moment der Schwäche bei Weitem nicht ausreichte, um jenes Schuldgefühl loszuwerden, das so schwer auf ihr lastete. Tatsächlich sah sie keine Lösung des Problems, es schien unvorstellbar, wie es ihr jemals gelingen sollte, sich selbst zu verzeihe, was sie getan hatte.
    Zugleich war ihr bewusst, dass sie auf dem in letzter Zeit eingeschlagenen Weg nicht weitergehen konnte. Sie hatte sich immer für einen starken Menschen gehalten, doch die letzten zehn Monate hatten gezeigt, dass häufig das Gegenteil zutraf. Das war nicht mehr zu leugnen. Sie hatte versucht, ihre Trauer und ihre Schuldgefühle zu betäuben, statt sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Jetzt funktionierte es nicht mehr. Zum ersten Mal seit ihrer Ankunft in Spanien wurde ihr klar, wie sehr sie sich danach sehnte, Fitzgerald und die anderen Geiseln zu finden. Sie wusste nicht, ob es ihr helfen würde, mit ihrer Schuld klarzukommen, doch es war die beste - und einzige - Möglichkeit, die sie sich überhaupt vorstellen konnte. Im Erfolgsfall war zumindest klar, dass sie das Richtige getan hatte, und das war Grund genug; es war lange her, dass sie das von ihrem Tun hätte behaupten können.
    Nach weiteren zwanzig Minuten setzte sie sich auf, und ihr Blick fiel auf das Fußende des Bettes. Sie stand auf, kniete neben der Tasche nieder, zog den Reißverschluss auf und nahm die Dose mit den letzten Tabletten heraus.

    Sie konnte den Blick nicht lösen von den kleinen weißen Pillen, die sich ihr förmlich aufzudrängen schienen. Diesem Sog war schwer zu widerstehen, doch das war schon immer so gewesen. Als ihr das Morphin zum ersten Mal verschrieben wurde, hatte sie es wirklich gebraucht. Der Schmerz in der rechten Gesichtshälfte war kaum zu ertragen gewesen, nicht weiter verwunderlich angesichts der Ernsthaftigkeit der Verletzung. Es war so schlimm, dass der Arzt anfangs eine kleinere Nervenschädigung erwartet hatte. Das hatte sich mit der Zeit als falsch herausgestellt, doch niemand hatte je die Schwere der Verletzung infrage gestellt. Nach und nach hatte ihr Arzt die Dosis verringert, doch sie hatte es nicht geschafft, damit klarzukommen. Sie brauchte die Tabletten so sehr wie zu Beginn der Behandlung. Irgendwann verschrieb der Arzt ihr gar kein Morphin mehr, und sie sah sich gezwungen, es sich woanders zu besorgen. Nach einigem Zögern hatte es ihr eine alte Freundin besorgt, und sie tat es auch weiter, wenn sie darum gebeten wurde. Jetzt hatte sie noch zwei Dutzend der kleinen weißen Tabletten, mehr als genug, um durchzuhalten, bis sie wieder in den Vereinigten Statten war.
    Und sie konnte dorthin zurückkehren, jetzt gleich, wenn ihr danach war. Sie konnte ein Taxi zum Flughafen und eine Maschine nach Washington nehmen, um dort sich selbst und ihr Leben zu hassen, wie sie es während der letzten zehn Monate getan

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